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Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Titel: Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlada Urosevic
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ich dich.«
    »Sei nicht so aufdringlich«, sagte sie und seufzte, als wehrte sie eine lästige Fliege ab. »Sag mal, das mit den Katzen –worum mag es da wohl gehen? Um die Vergangenheit oder um die Zukunft?«
    Ich wusste, dass es weder um die Vergangenheit noch um die Zukunft ging. Auch nicht ums Fantasieren. Ich wusste, wovon eigentlich die Rede war, aber ich traute mich nicht, es ihr zu gestehen.
    »Komm, gehen wir auf den Dachboden«, sagte ich. »Dort erkläre ich es dir.«
    Emilia zog die Beine an, bedeckte die Knie mit dem Saum ihres Kleides, setzte sich auf dem Kanapee zurecht und gab mir keine Antwort. Während wir in den Illustrierten blätterten, positionierte ich meinen Arm so, dass er fast in seiner ganzen Länge, vom Ellenbogen bis zur Schulter, an Emilias Arm lag. Und Emilia zog ihren Arm nicht weg – weil sie es angenehm fand oder weil sie es gar nicht bemerkte.
    Onkel Filip kam aus dem Zimmer, in dem noch immer über die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Katzen diskutiert wurde. Durch die geöffnete Tür war Opa Simons Stimme zu hören, wie er irgendetwas voll Pathos und im Brustton der Überzeugung erläuterte. Der Onkel ging quer durch den Flur und sagte wie als Kommentar zu dem, was er zuvor im Zimmer gehört hatte, beinahe nur zu sich selbst: »Nein, hier geht es weder um Vergangenheit noch um Zukunft. Die Katzen sehen das, wovon wir nachts träumen.«
    Ich zuckte zusammen. Onkel Filip war der Wahrheit sehr nahe gekommen.
    Ich wusste nämlich, was der Kater Fjodor sah, wenn er unverwandt in die dunkle Ecke mit dem Kanapee starrte, sobald er in das leere Haus gekommen war: Es war der Körper meiner Cousine Emilia, den ich mir in meinen nachmittäglichenerotischen Wachträumen vorstellte, wie er sich wehrlos auf dem Kanapee wand und anspannte, an Händen und Füßen gefesselt und im Halbdunkel von einem leuchtenden Weiß, weil ich sie in meinen Gedanken zuvor ausgezogen hatte. Nachmittag für Nachmittag rief ich mir dieses Bild in der sanften, schläfrigen Atmosphäre, die das in der Sommerschwüle still gewordene Haus erfasst hatte, vor Augen. Ich dachte, nur ich wüsste davon. Allerdings beschlich mich in letzter Zeit immer häufiger der Verdacht, dass auch der Kater Fjodor dies sehen konnte.
    Emilia schwieg nachdenklich und gedankenverloren und reagierte nicht auf meine Berührungen. Ihre Finger, mit denen sie die halb angehobene Seite der Zeitschrift hielt, waren in der Bewegung erstarrt.
    »Komm, lass uns auf den Dachboden gehen«, bohrte ich zum wer weiß wievielten Male nach. Dabei glaubte ich schon selbst nicht mehr daran, dass Emilia sich dazu aufraffen würde.
    »Mmmm«, sagte Emilia und räkelte sich verschlafen auf dem Kanapee. Sie streckte ihre Arme weit über den Kopf aus, wobei ihre feuchten Achselhöhlen sichtbar wurden. An den schwarzen Härchen hingen silberne Schweißtropfen. »Mmmm«, wisperte sie in wollüstiger Trägheit, »mmmm, ich gehe nirgendwo hin, hier fühle ich mich ganz wohl.«
    »Weißt du was?«, traute ich mich plötzlich zu sagen. »Ich schau dir sehr gern zu, wenn du nachmittags hier auf dem Kanapee schläfst.«
    »Du bist ein ganz ekelhafter, verdorbener Typ mit deinem Strick da«, flüsterte sie.
    »Was denn für ein Strick?«, sagte ich. Ich spürte, wie ichrot wurde und mich eine Hitze durchströmte, wie ich sie von den Krankheiten im Winter kannte. »Du bist wohl verrückt. Was für ein Strick?«
    »Der, mit dem du mich fesselst«, flüsterte sie. »Denkst du etwa, ich wüsste das nicht?«
    »Was fantasierst du denn da, wovon träumst du?«, stotterte ich verlegen.
    »Ich weiß alles«, sagte sie und sah sich um, ob uns auch ja niemand hören konnte. Sie beugte sich zu mir. »Ich weiß alles, weil ich es gleichzeitig im Traum sehe. Ich weiß, dass du mich ausziehst. Ich weiß, dass du mich fesselst. Und ich weiß, dass du dann erlaubst, dass Fjodor mich mit seinen schrecklichen, weit aufgerissenen Augen anstarrt.«
    »So ein Quatsch«, sagte ich. »Du bist doch verrückt. Du fantasierst dir da etwas zusammen.«
    »Und du hast keine ehrbaren Absichten«, sagte meine Cousine Emilia.
    Die Tür des Zimmers, in dem Opa Simon und der Richter Pletvarski saßen, ging auf.
    »Und die Absicht«, sagte der Richter Pletvarski, als er aus dem Zimmer trat und dabei offensichtlich eine Diskussion über ein neues, diesmal juristisches Thema fortführte, »kann auch strafbar sein, natürlich nur, wenn sie vorsätzlich ist, insbesondere materieller Natur. Wenn Sie

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