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Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Titel: Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlada Urosevic
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eine.
    »Tuamotu, Tongatapu, Tombuktu«, sagte ich laut in der leeren Küche.
    Das Album lag geöffnet neben mir auf dem Kanapee. Ich nahm aufs Geratewohl einige Briefmarken aus der ersten Reihe – es waren Marken mit arabischen Buchstaben, Marken aus den Emiraten, merkwürdige Marken mit gekreuzten Säbeln und einem Halbmond, der Stolz meiner Sammlung –, und trug sie zum Ofen. Dort legte ich sie behutsam auf die heiße Platte voller unzähliger halbkreisförmiger Spuren von übergekochter Milch. Die Marken zitterten, färbten sich gelb, krümmten sich zusammen und wurden schließlich schwarz wie die Apfelschalen, die wir manchmal auf den Ofen legten.
    Die Dachtraufen begannen von Neuem, ihr hastiges Morsealphabet zu klopfen: chiffrierte Nachrichten über Wetterveränderungen, über warme Winde, die von den fernen Meeren her bliesen, aber auch über die Bewegungen der Luftströmungen aus der Arktis.
    ***
    Anfangs ließ Emilia regelmäßig von sich hören, doch dann wurden ihre Briefe seltener, beschränkten sich auf Grußkarten zu Neujahr und Weihnachten und blieben schließlich ganz aus.
    Die Marken auf diesen Briefen löste ich zunächst ab und sortierte sie ins Album ein, doch dann hörte ich damit auf undnahm es hin, dass die Briefumschläge im Haus herumlagen, zwischen das Altpapier gerieten und verloren gingen.
    Und das wäre eigentlich das Ende der Geschichten über Emilia. Doch wie es scheint, haben Geschichten niemals ein für immer und ewig festgeschriebenes Ende.
    ***
    Viele Jahre später, als meine Altersgenossen und ich in die Welt hinausgezogen waren, kam ich nach Paris. An einem regnerischen Abend fand ich mich in einer der Passagen wieder, deren Halbdunkel immer voller Überraschungen steckte. Ich hatte keinen Regenschirm dabei und war gezwungen, lange vor den Auslagen der kleinen Ladengeschäfte hin und her zu laufen. Es gab dort eine Buchhandlung mit Werken über esoterische Lehren aus Asien, über die Reinkarnation bei den Hindus und über den tibetanischen Glauben hinsichtlich des Weges, den die Seele nach dem Tod nimmt, dann einen Laden mit Masken aus Vogelfedern aus den Urwäldern des Amazonasgebiets, einen weiteren mit verschiedenen Teesorten, aus dessen halb offener Tür der betäubende und berauschende Duft ferner Länder strömte, und schließlich einen mit Halbedelsteinen, die im Schaufenster wie in einer Schatztruhe aus einem Piratenroman durcheinanderlagen: giftgrüne Malachiteier, längliche Fläschchen mit Schichten von buntem Sand aus Colorado, Achatkugeln, in denen man das vor Millionen von Jahren eingeschlossene Wasser erkennen konnte, riesige versteinerte Schnecken – Ammoniten mit Quarzkristallen im Inneren der Spiralen – und kleine, hauchdünne Marmorplättchen aus der Toskana, auf denen die geologischen Ablagerungen düstere Unterwasserlandschaften und Panoramenfantastischer Städte geschaffen hatten. Und ganz am Ende der Passage gab es einen Philatelieladen. Im Schaufenster lagen hübsch angeordnet und unter Glasstreifen gepresst Sätze von Briefmarken – kleine Bilder einstiger großer Träume, Botschaften aus fernen Ländern, die sich einst an unsere nach der Welt hungernden Augen gerichtet hatten, Nachrichten, von deren Reizen die stickigen Zimmer unserer Kindheit erfüllt gewesen waren.
    Mitten unter ihnen entdeckte ich etwas, das mich zusammenzucken ließ: je einen Satz dreieckiger und rautenförmiger Marken aus Tuwa. Ein Yak mit zottigem Fell stand auf einem Gebirgskamm, unter einem vorüberfliegenden Flugzeug. Dieses Bild wiederholte sich in Grün, Orange und Dunkelblau.
    Ich hob den Blick. Hinter den Regalen mit Briefmarken sah man im halbdunklen Innenraum, unter dem grünen Schirm der Lampe, die auf dem Schreibtisch stand und nur einen kleinen Ausschnitt des Raums beleuchtete, eine Schulter in einem dunklen Kleid und darüber die goldene Fülle des Haares, das den Eindruck vermittelte, ein Teil des Lichtes habe sich plötzlich materialisiert. Ich spürte, dass sich in diesem hell erleuchteten Punkt alle geheimen Fäden kreuzten, die zwischen den Gegenständen im Halbdunkel der Passage gespannt waren.
    Ich trat ein und die Glocke über der Tür klingelte. Unter dem schräg einfallenden Lichtstrahl hob sich mir wie von Blütenstaub überpudert das Gesicht der Verkäuferin entgegen. »Sie wünschen?«, fragte sie.
    »Ich hätte gern den Satz Briefmarken aus Tuwa«, sagte ich. »Die dreieckigen.« Sie sah mich an. Über ihr Gesicht lief einleises Zucken heimlichen

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