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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Mander
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Händen, bis ich es bin, der schreit.
    Mama sagt, das ist, weil ich ein Siebenmonatskind bin, und Siebenmonatskinder sind intelligenter. Ich habe zwei Monate lang in einem Inkubator gelegen. Vielleicht bin ich jetzt auch wieder in so was Ähnliches geraten, irgendeine Höllenmaschine, die mir schreckliche Albträume macht, und ich bin noch zu klein, um allein wieder da rauszukommen und davonzulaufen. Ich weiß nicht mal, ob es stimmt, dass Siebenmonatskinder begabter sind, jedenfalls will ich nur normal sein.
    Auch wenn es manchmal nützlich ist, wenn man was früher versteht.
    Um sieben Uhr klingelt Andreas Mama.
    Er denkt, es wäre meine, aber ich weiß, dass es seine ist. Notgedrungen.
    Â»Er kommt sofort runter.«
    Das sage ich in die Sprechanlage.
    Â»Los, los, beweg dich, mach schnell!«
    Das sage ich zu Andrea und schiebe ihn durch die Tür nach draußen.
    Freitagabend Taiga und Tundra in der Wohnung.
    Titicaca ein bisschen überall.
    Ich drehe den Schlüssel zu Mamas Zimmer um, ich werfe einen verstohlenen Blick hinein, ich muss an Horrorfilme denken, also lasse ich die Tür sperrangelweit offen.
    Vielleicht riecht es wirklich komisch, vielleicht ist es der Abfluss vom Klo, manchmal stinkt er, wegen Tiefdruck, sagt Mama.
    Tiefdruck im gesamten Mittelmeerbecken, und der beeinflusst auch diejenigen, die nicht an den Wetterbericht glauben.
    Ich mache alle Lichter an. Im Tiefkühlfach finde ich Fischstäbchen. Ich sehe mir das Mindesthaltbarkeitsdatum an, es ist abgelaufen. Macht nichts. Es ist erst seit Kurzem abgelaufen. Ich lege sie in eine Pfanne mit Öl, ich muss sie fünf Minuten auf jeder Seite braten.
    Ich bin nicht mal so sicher, ob ich Hunger habe.
    Aber ich glaube, dass man sich notgedrungen ernähren muss, um nicht herunterzukommen, um nicht krank zu werden, um nicht in einem Heim zu enden.
    In den Waisenhäusern essen die Waisen immer das Gleiche, da heißt es, friss oder stirb, und ich würde am liebsten immer nur das Gleiche essen: Fischstäbchen, Pommes, Pizza, Schinken und Hackfleischbällchen mit Püree. Aber das ist eben nicht das Gleiche.
    In den Waisenhäusern musst du essen wie alle Kinder, mit allen Kindern, und mit allen Kindern spielen, und mit allen Kindern schlafen, auch wenn du nicht müde bist. Ich glaube, in den Waisenhäusern kannst du nie irgendetwas anderes machen.
    Ich bin das nicht gewöhnt. Ich bin es gewöhnt, mit Mama zusammen zu sein, und unser Leben ist anders als das der anderen.
    Es gibt: gleich, normal und anders.
    Gleich ist, wenn du wie die anderen sein musst. Normal ist, wenn du schöne Dinge tust, die allen gefallen. Anders ist, wenn dein Leben ein bisschen sonderbar ist. Notgedrungen ist es nicht gleich, aber auch nicht normal, es ist ein bisschen ein zurückgezogenes Leben, ein bisschen für sich, wie das, das wir führen.
    Normal ist besser als alles, aber anders ist besser als haargenau gleich.
    Gleich ist ein bisschen wie der Himmel, wenn alles gleichförmig grau ist wie der Boden einer beschichteten Pfanne.
    Â»Nicht verkratzen, du kannst dich vergiften.«
    Und nicht über Zäune klettern, du könntest aufgespießt werden, nicht über Stacheldraht steigen, nachher kriegst du Tetanus, nicht auf der Matratze herumhüpfen, die bricht sonst durch, dich nicht verspäten, sonst mache ich mir Sorgen, nicht über die Straße gehen, ohne zu schauen, nicht wie ein Steinzeitmensch essen, nicht die Ellbogen auf den Tisch stützen, nicht mit Leuten reden, die du nicht kennst, nicht vertrauensselig sein, was machst du da?
    Nichts! Ich brate nur Fischstäbchen!
    Als er den Fisch nur riecht, stürzt Blu sich wie eine Boden-Luft-Rakete aufs Küchenregal, die Ölflasche fällt um, das Öl tropft überallhin, und Blu rutscht aus wie in einem Zeichentrickfilm. Ich muss sehr lachen.
    Â»Da gibt es nichts zu lachen.«
    Er tadelt mich und spielt den Beleidigten.
    Â»Das stimmt, aber ich muss trotzdem sehr lachen.«
    Auch wenn der Himmel so ist, dass alles über ihn hinweggleitet, glaubst du nie, dass er sich ändern kann. Wenn es Sonne mit ein paar Wolken gibt, ist es normal, wenn es dann plötzlich ein Gewitter gibt, ist es schlimm, aber auch schön.
    Mit Mama ist es, als lebte man immer einen Augenblick vor dem Gewitter, du weißt nicht, ob es kommt, doch du weißt, es könnte kommen. An manchen Abenden hoffst du sogar, dass es kommt, um nicht die

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