Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Mander
Vom Netzwerk:
ganze Zeit auf der Hut sein zu müssen.
    Jetzt ist das Gewitter gekommen, wir sind alle dabei zu ertrinken, auch wenn Blu und ich noch den Kopf über Wasser halten. Katzen mögen auch kein Wasser, Katzen sind in Heimen nicht zugelassen.
    Ich gehe nicht gern in die Badewanne, aber ich muss es tun, denn wenn ich stinke, sagen sie vielleicht:
    Â»Dass ein sonst so sauberer Junge so schmutzig ist, da stinkt doch was zum Himmel.«
    Ich glaube, dass Blu, als er in die Badewanne gefallen ist, sich elektrisiert hat, steck die Pfoten nicht in den Strom, sonst bekommst du einen Schlag, steck die Finger nicht in die Nase, steck die Nase nicht in die Angelegenheiten anderer Leute, Blu fällt jetzt nie mehr rein.
    Â»Glaub mir, ein heißes Bad tut immer gut, du weichst ein bisschen auf und fühlst dich dann wie neu.«
    Ich drehe die Wasserhähne der Badewanne auf, während ich auf dem Klo sitze. Ich kontrolliere mit einem Blick, ob es schon Moos und Flechten gibt, es sind keine da, aber wenn ich an meiner Hand schnüffele, riecht sie nach Käse. Ich gieße Schaumbad ins Wasser, das, was viel Schaum macht. Ich ziehe mich aus und sehe, dass auch meine Füße vom Stamm der Schwarzfüße sind. Der Spiegel ist durch den Wasserdampf ganz beschlagen, mit dem Finger schreibe ich Schweinsdreck darauf. Ich setze mich in die Wanne. Das Wasser ist im ersten Moment heiß, dann ist es lauwarm. Mein Pimmel schwimmt im Wasser, er sieht eher aus wie eine Seeanemone, diese Gewächse, die man aus Aquarien kennt. Ich frage mich, ob er, wenn ich wachse, wie das Ding wird, das Mama zwischen den Unterhosen versteckt hat, und ob er dann Geräusche macht, oder nur so ein leichtes Plätschern wie jetzt, wenn der Schaum darum herumblubbert.
    Ich bin lange genug in der Wanne gewesen, meine Finger sind ganz schrumpelig.
    Â»Komm aus dem Wasser raus, siehst du nicht, dass deine Finger ganz schrumpelig sind, wie oft muss ich dir das noch sagen?«
    Â»Ich habe es dir ja gesagt, meine liebe Tochter, einen Jungen großzuziehen ist Krieg.«
    Oma stand schon bereit mit dem Handtuch mit den weißen und blauen Ankern und einem Brötchen mit gekochtem Schinken und in der Sonne gewärmten Aprikosen, die fast faul waren.
    Oma sprach zu laut, weil sie ein bisschen taub war, vor allem auf dem rechten Ohr, das riesig und von einem zu schweren, prächtigen Ohrring in zwei Teile gerissen worden ist, und Mama bat sie:
    Â»Also bitte, sag so was doch nicht vor dem Jungen.«
    Ich ziehe den Stöpsel aus der Wanne. Als das Wasser abgelaufen ist, rülpst es aus dem Abfluss, der mitteilen will, dass er es geschafft hat, ich habe alles verdaut: Schaum, Hautfetzchen, das Schwarz der Füße, ein bisschen Gestank. Ich schlüpfe in Mamas Bademantel wie ein benommener Boxer nach der ersten Runde, und wo ich schon dabei bin, putze ich mir auch die Zähne. Aber nicht alle, nur die vorne. Auf dem Spiegel kann man Schweinsdreck nicht mehr lesen, man kann nur in meinem Gesicht lesen und kapiert nicht recht, was darin geschrieben steht. Ich schneide Grimassen. Ich gähne, sehe aus wie ein Nilpferd aus einem Dokumentarfilm. Ich bin müde.
    Wo ist mein Federbett mit den himmelblauen Wolken?
    Zuerst muss ich Mama Gute Nacht sagen.
    Eigentlich habe ich keine große Lust dazu.
    Ich würde sie lieber nicht sehen und sie eher lebendig als tot in Erinnerung behalten, wie verstorbene Filmschauspieler, die sie einem zeigen, wie sie lebendig waren, sie zeigen sie dir nicht fahl und fertig, und so erinnerst du dich lieber an sie.
    Wenn sie sich mit dem Auto umgebracht haben, wie Prinzessin Diana, die meiner Meinung nach längst nicht so schön war wie meine Mama, gibt es höchstens Fotos von geschrotteten Karosserien zu sehen.
    Auch von dem berühmten Papa, der sich verflüchtigt hat, habe ich nur ein Bild im Kopf, er und Mama, lächelnd vor einem Motorrad, er mit einem roten Tuch um den Hals und sie in einer Lederjacke und mit langen Haaren, die der Wind alle auf eine Seite geweht hat, dahinter war ein Haus wie ein Hotel, scheint mir, aber ich würde es nicht beschwören, denn irgendwann wollte Mama mir das Foto nicht mehr zeigen.
    Â»Ich habe es verloren, ich kann es nicht mehr finden.«
    So bleibe ich in der Tür stehen, schwankend an den Türpfosten gelehnt, tropfe auf den Fußboden, ohne mich entscheiden zu können, ob ich hineingehen soll oder nicht. Ich mache kehrt und lege mich auf die

Weitere Kostenlose Bücher