Meine erste Luege
Freesien oder rote Rosen.
»Es mag abgeschmackt sein, aber wenn ein Mann dir rote Rosen schenkt, dann freut man sich einfach.«
Ich weiÃ, was sie meint, es ist nicht nur, weil sie eine Frau ist, aber was wichtig ist, ist, sich für einen wichtig zu fühlen.
Man schämt sich sehr, wenn man sich nicht genug geliebt fühlt.
Die Leute denken immer nur an ihre eigenen Angelegenheiten, wenn einer so doll auch an dich denkt, dass er dir Rosen schickt, heiÃt das, dass er so sehr an dich denkt, dass du nicht allein bist. Das gilt ein bisschen für alle Geschenke. Also, eigentlich geht es bei Geschenken sogar nur darum, deshalb sind sie so viel wert, auch wenn sie nicht viel wert sind. Der Gedanke zählt, sagt man. Genauso ist es.
Morgen kaufe ich ihr wunderschöne Blumen, die schönsten Blumen ihres Lebens, heute nicht, ich ertrage die alte Hexe nicht, ihre Fragen, ihr Schmirgelpapierstreicheln.
Das letzte Mal, als Mama Blumen bekommen hat, war sie total glücklich. Es war ein Strauà roter Rosen, der nicht durch die Tür passte, das Kärtchen daran war mit einer Nadel befestigt, mit der Mama sich, in der Eile, es zu lesen, in den Finger gestochen hat und dann ein paar Tage lang in Trance gefallen ist wie Schneewittchen.
Um die Wahrheit zu sagen, sah sie schon seit einer Weile glücklich aus, sonderbarerweise, ein bisschen zerstreut klackerte sie geschäftig auf ihren hohen Absätzen herum, mit der Miene von einer, die gerade heimlich Marmelade genascht hat. Das war vor ein paar Jahren. Am Abend vor den Rosen hatte sie mich mit der Babysitterin Marisol, die mit dem Riesenbusen, daheim gelassen, dann war es spät geworden, nach Mitternacht, und Marisol war inzwischen auf der Couch eingeschlafen, mit mir an ihrem weichen Riesenbusen wie auf einer bequemen Matratze.
Als Marisol den Schlüssel im Schloss gehört hat, ist sie ganz verlegen geworden.
» Desculpe Senhora , aber ich bin seit sechs Uhr heute Morgen auf den Beinen, noch einmal desculpe .«
Die Brüste Marisols bebten wie Pudding mit kandierten Kirschen obendrauf, aber Mama hat gar kein Drama daraus gemacht.
»Das macht doch nichts, meine Liebe, das macht doch nichts, ich bin es, die sich verspätet hat, es ist meine Schuld.«
Mama schien es weniger um uns zu gehen als darum, sich im Spiegel über der Kommode anzusehen, als könnte irgendetwas den Grund für ihr Zuspätkommen verraten. Tatsächlich hatte Mama, als sie nach Hause kam, im Strumpf eine Laufmasche über dem rechten Knöchel, als sie ging, war sie links, ich hatte sie noch darauf aufmerksam gemacht.
»Man kann doch nicht mit kaputten Strümpfen zu einer Verabredung gehen! Und wenn du dann einen Unfall hast und dich ausziehen musst, wer weiÃ, was sie von dir denken?«
Doch sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich zurechtzumachen. Sie entschuldigte sich noch einmal, gab Marisol mit dem Riesenbusen sogar ein Trinkgeld, duftete anders als sonst, als sie sich mir zum Gutenachtkuss näherte, herber, ein Geruch wie der von den kleinen grünen Bäumchen, die man ins Auto hängt.
Es dauerte nicht sehr lang.
Die Blütenblätter fielen nach ein paar Tagen auf den Tisch und auch auf den Boden, und Mama verkündete, als sie sie auf allen vieren zwischen den Stuhlbeinen aufsammelte, dass es, wenn Rosen sofort verwelken, bedeutet, es war keine wahre Liebe.
Wer es war, das habe ich sie nie gefragt.
Doch das war jedenfalls eines der wenigen Male, dass ich sie wirklich glücklich gesehen habe.
Oder wenigstens glücklich über die roten Rosen.
Vielleicht ist sie auch jetzt glücklich.
Der leichte Teil von ihr hat den Körper verlassen, der schwere ist im Bett geblieben, wie eine Marionette. Die Geschichten der Marionetten gibt es immer noch, auch wenn die Marionetten schlafen. Die Geschichten bleiben auch, wenn die Menschen sterben.
Mir ist so was mal passiert, als ich hohes Fieber hatte, ich glaube, es waren die Windpocken, denn am nächsten Tag kamen Bläschen, und es juckte mich überall. Ich war im Bett, aber auch auÃerhalb vom Bett.
Ich sah mich von auÃen, ich ging durchs Zimmer; ich suchte wie besessen etwas, den Bogen mit den Pfeilen, der musste zwischen der Tür und dem Schrank mit dem Tennisschläger sein. Ich musste ein wichtiges Ziel treffen, dafür brauchte ich ihn, aber ich fand ihn nicht, und wenn ich ihn doch fand, konnte ich ihn nicht packen, denn mein
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