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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Mander
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uns alle, und ich winke.
    Ich bin fast durch das Schultor, als ich höre, wie die Squarzetti mich ruft.
    Â»Luca! Luca!«
    Plötzlich habe ich wieder riesige Angst. Ich frage mich, was ich falschgemacht habe.
    Â»Luca, entschuldige, bist du so lieb, deine Mutter hat das hier beim letzten Mal, als wir uns gesehen haben, vergessen. Kannst du es ihr geben?«
    Sie gibt mir ein Heft, verabschiedet sich und lässt eine schöne Harke kreuz und quer stehender Zähne sehen, macht dann in aller Eile auf dem Absatz kehrt, auch für sie ist Samstag.
    Ãœber Luca heißt es offiziell:
    Â»Der Schüler hat ein lebhaftes Temperament, ist selbstsicher und verfügt über eine beachtliche Intelligenz und viel Verantwortungsgefühl. Er schneidet in allen Fächern gut ab. Da er kontinuierlich und fleißig arbeitet, erreicht er hervorragende Ergebnisse. Er hat viel Interesse und große Begabung im künstlerischen Bereich gezeigt und interessiert sich auch für Wissenschaft und Geschichte. Dem Wesen nach ist er gutmütig und großzügig, immer für seine Mitschüler da und voller Unternehmungsgeist.«
    Der Schüler Luca antwortet:
    Â»Leckt mich doch alle am Arsch.«
    Sackgesichter. Was versteht ihr denn schon davon, voller Unternehmungsgeist zu sein oder ein gutmütiges und großzügiges Wesen zu haben? Was für ein Schweinsdrecksblödsinn.
    Ich weiß nicht, warum, aber ich bin wütend.
    Oder besser, ich weiß, warum, aber das macht mich nur doppelt so wütend. Mit dem blauen Fetzen, den man zum ersten Mal nach so vielen Tagen am Ende der Straße zwischen auseinandertreibenden Wolken erkennen kann, kann ich auch nichts anfangen.
    Mit dem Beurteilungsheft in der Hand und dem Wind im Gesicht marschiere ich nach Hause, mit einer unbändigen Lust, die bei jedem Schritt größer wird, die Tür hinter mir zuzumachen, schnell, schnell, so schnell wie möglich.
    Das Bild eines guten Jungen, das Bild der Mama, das Bild der heilen Welt! Schade, dass Mama es nicht lesen kann und dass Papa sich in Luft aufgelöst hat und dass ich ein Schweinsdreckswochenende vor mir habe. Schade, dass Mama bald anfangen wird, ziemlich schlimm zu stinken.
    Leichen stinken, nach einer Weile, egal, wie viel Verantwortungsgefühl du hast. Das ist ein chemischer Prozess, den man nicht aufhalten kann, sagt auch Inspektor Columbo. Leichen stinken nach drei Tagen, wie Gäste und Fisch. Aber es ist nicht so leicht, sie loszuwerden, egal, wie viel Unternehmungsgeist du hast. Ich kann Mama nicht ins Hotel schicken oder sie irgendeinem Verwandten aufhalsen.
    Du glaubst, dass einer tot ist, und das war’s, aber das stimmt nicht.
    Wenn ich euch sagen würde, dass Mama mausetot im Bett liegt, würde euch meine künstlerische Begabung nicht mehr interessieren, ihr würdet mich schnurstracks in ein Waisenhaus stecken, und da würde ich dann Röhrennudeln Nr. 6 wieder auskotzen.
    Meine Augen füllen sich wieder mit warmem Wasser. Schweinsdreck, ich stecke in einem beschissenen Schweinsdreck.
    Und dann liegt auch noch das ganze Wochenende vor mir.
    Es ist komisch. Während mir all diese Gedanken kommen, bin ich schon im Wohnungsflur, mit dem Rücken an die Eingangstür gelehnt und mit keuchendem Atem, mit dem Türspion, der anfängt zu flackern, wenn ich den Kopf bewege, und der dem Aufzug zuzwinkert.
    Es ist komisch, aber ich fühle mich hier drinnen, auch wenn Mamas Leiche im Bett liegt, sicherer als dort draußen.
    Es kommt mir weniger schlimm vor. Hier drinnen kann uns niemand was tun. Hier drinnen kann niemand auftauchen, um mich herauszuholen und mich dann woanders reinzustecken, wo man dann nicht mehr herauskommt und wo niemand dich gernhat, weil er bezahlt wird, dich gernzuhaben, und es deshalb nicht gilt, also alles nur Betrug ist. Wie Oma, die eine Patience legt und sich dann die Karten aussucht und damit prahlt, dass sie immer gewinnt. Ich falle nicht darauf herein. Ich drehe noch einmal am Schlüssel, der schon am Anschlag war. Ich niese zwei- oder dreimal laut.
    Auch wenn meine Zuflucht ein bisschen so ist, als würde ich hier im siebten Stock auf Pfählen leben, wie in diesen Pfahlbauten, bei denen ein Bora-Windstoß genügt, um sie umzuwehen, ist es doch immer noch ein Zuhause. Wie der baufällige Bau auf der Piazza, bei dem man sich fragt, wieso sie ihn so einsturzgefährdet stehen lassen, wenn der Bau doch fällig ist. Aber

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