Meine Frau will einen Garten
den Ferien. Und in den Autos wird gestritten, genau wie in den Ferien. Ikea ist aus meiner Sicht reinste Exotik, in der ab und an die Eltern des kleinen Lars zum Informationsschalter gerufen werden. Oder die Eltern der kleinen Britta. Wenn solche Lautsprecherdurchsagen kommen, drehen sich immer alle mit vorwurfsvollem Blick um, damit klar ist, dass sie den kleinen Lars oder die kleine Britta niemals in ihrem Bullerbü-Bollerwagen im Stich lassen würden. Ich schätze, dass Ikea einfach ein tolles Land ist.
Nach Max, dem dreijährigen Hool, der gerade einen Kindergeburtstag auseinandernimmt und Siebenjährige dazu bringt, weinend die Flucht zu ergreifen, haben wir uns geschworen, niemals wieder ein Kind zu bekommen. Max hat uns einfach erledigt. Aber falls doch, falls … und falls es ein Junge wäre … falls: Er würde Ivar heißen.
Pia will jetzt Ruhe und Familienfrieden. Sie sagt: »Du wärst ein cooles Schlafsofa, und ich hätte sofort Lust, darauf einzuschlafen.« Dabei berührt sie mein Bein auf so eine anzügliche Jean-Seberg-Art, dass ich erschrocken Gas gebe und fast auffahre auf den Vordermann. Sie sagt noch: »Weißt du was? Wir essen bei Ikea.« Damit versöhnt sie mich komplett. Das ist lecker und billig, es gibt dort Hot Dog und Köttbullar. Pia ist sonst nicht der Ikea-Restaurant-Typ, und ich weiß ihr Friedensangebot zu schätzen.
Beim Essen fällt mir auf, dass Julia Konversation macht. Sie ist kein Kind mehr, denke ich. Sie macht Konversation. Früher hat sie in der Eisdiele immer geglotzt oder mir Löcher in den Bauch gefragt. Jetzt will sie wissen, ob es uns gutgeht, und erzählt, dass sie sich auf Obermenzing freut. Das tut fast ein bisschen weh. Sie wird so schnell erwachsen, schneller als ihre blonden Haare, die einfach nicht wachsen wollen.
Pia sagt zum schwedischen Nachtisch: »Du bist ein blauer Typ.«
»Wieso?«, frage ich.
»Das steht in dem Farbenbuch, du weißt schon: alles über Psychologie und Farbe.« Das Buch besitzen wir, seit wir in der Ismaninger Straße wohnen. Unsere Wohnung ist total farbig. Das war Pias Idee. Pia hat damals zum Einzug für jeden Raum eine eigene Farbe ausgesucht und dann einen Maler gesucht, der ihre Vorstellungen realisiert. Das war gar nicht so einfach: einen Mann zu finden, der bereit ist zu Pias erstaunlichen Farbexperimenten. Die meisten Fachleute haben gelacht oder abgeraten. Noch heute gibt es Menschen, die nicht glauben können, wie wir in diesem besonderen Grün leben und noch nicht geschieden, neurotisch oder magenkrank sind.
»Wieso blauer Typ?«
Pias Handy klingelt. Es ist die Gräuliche. Architekten kennen keinen Samstag. Pia hält das Handy so, dass möglichst keine Ikea-Geräusche in das Reich unserer Raumkünstlerin dringen können. Würde die Gräuliche erfahren, dass wir bei Ikea sind, würde sie uns vermutlich sofort auf Unterlassung verklagen. Sie würde sich unterschreiben lassen, dass Klippan und Billy nicht die Schwelle zu unserem Haus übertreten dürfen.
Die Gräuliche will wissen, welche Farbe wir für unser Haus ausgesucht haben. Am Montag müssen nämlich die Pläne bei der Lokalbaukommission eingereicht werden. Und wir streiten seit Wochen darüber, in welcher Farbe unser Holzhaus gebaut werden soll. Ich bin für Rot. Für ein rotes Holzhaus mit weißen Fenstern, voller Ivar und Klippan. Pia ist für Schwarz. Anton für
Blau. Max für Schokolade. Julia überlegt noch. Die Gräuliche ist auch für Schwarz.
Schwarz. Du lieber Himmel. Schwarz ist die CSU, schwarz ist der Novemberhimmel, wenn er restlos unglücklich ist, schwarz ist die unendliche Einsamkeit des Universums, schwarz ist das Ende.
»Schwarz«, doziert Pia, »vereinigt alle Farben in sich.« Das hat sie aus dem Buch. Julia sagt: »Das ist toll. Dann kriegt jeder seine Farbe.« Julia, Pia, die Gräuliche: drei für Schwarz. Ist das ein Wahnsinn. Das ist die Hölle des Designs. »Schwarz kommt nicht in Frage. Nur über meine Leiche«, sage ich, »nur über meine schwarz verkohlte Leiche, über meinen schwarz verhängten Sarg und über all die schwarzen Trauerbinden, die ihr tragen werdet an meinem schwarzen Grab. Schwarz. Ihr spinnt wohl. Nur über meine Leiche.«
Andere Ikea-Köttbullar-Fans blicken sich interessiert nach uns um. Pia sagt: »Sssscht. Die gucken schon alle.«
Ich wiederhole etwas leiser, aber, wie ich finde, doch sehr präzise, scharf und bestimmt: »Auf keinen Fall schwarz. Ist das klar?«
Ein Mann, ein Wort.
Manchmal sollte man keine
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