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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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unbequem«, sage ich. »Naja«, sagt Pia, die schon ahnt, was jetzt kommt.
    Jetzt kommt der Streit um Bruchteile von Graden, um Bruchteile von Zentimetern und der Streit ums Grundsätzliche. Ich finde nämlich, eine Treppe ist dazu da, um von Punkt A zum höher oder tiefer gelegenen Punkt B zu kommen. Möglichst bequem. Die Gräuliche und Pia finden aber, dass eine Treppe an dieser Stelle nicht so voluminös sein sollte, daher möglichst steil, möglichst schmal und möglichst leiterig. Möglichst schön.
    »Möglichst schön ist das, was möglichst bequem ist.« Dabei stehe ich auf und humple absichtlich durch den Raum. Die Architektin frage ich, ob sie noch nie etwas vom Demografieschock und der überalterten Gesellschaft gehört hat, davon, dass Autos gebaut werden, die stuhlhohe Sitze zum »Bequemeinstieg« haben, und Telefone, die Tasten in der Größe von Euromünzen aufweisen. »Ist Ihnen nicht klar, dass nur junge und gesunde Profisportler Ihre Treppenleiter schaffen? Aber nicht ich, wenn ich sechzig bin und Rheuma habe.«
    »Leitertreppe«, sagt die Gräuliche, »es ist eine Leitertreppe. Und wenn wir sie länger und weniger steil
machen, dann zerstört das die räumliche Wirkung im ganzen Haus.«
    »Das ist ja lächerlich«, sage ich und hinke umher. »Da oben will ich arbeiten …«
    »Wieso du?« Das war Pia.
    »… arbeiten und ein Glas Wein trinken. Und dann muss ich immer noch die Treppenleiter …«
    »Leitertreppe.« Das war die Gräuliche.
    »… runterkommen. das geht nicht so steil. Ich will mich nicht abseilen müssen, wenn ich von meinem Arbeitszimmer aus ins Bad will. Soll es ein Haus oder ein Berg werden, was Sie da planen?«
    Pia kriegt ihren schmalen Mund. »Erstens«, sagt sie, »es ist nicht dein Arbeitszimmer. Zweitens: Trink halt nicht. Drittens: Du bist 46 und auch, wenn du noch so herumhumpelst, wirst du ja wohl noch eine kleine Treppenleiter schaffen.« - »Leitertreppe«, sage ich mit der Gräulichen im Chor.
    Alle schweigen. Dann sagt die Gräuliche: »Gut, wir werden nochmals darüber sprechen.«
    Was wir natürlich nicht tun. Wir schicken aber Skizzen per Mail hin und her. Ich fange an mit einer ultraflachen Treppe samt superniedrigen Stufen. Sie antwortet mit einer extremen Kurz- und Steilvariante. Das geht so ein paar Tage. Schließlich landen wir bei einem Kompromiss. Die Gräuliche verhandelt so hart wie die Palästinenser. Sie gibt mir das Gefühl, ich sei das personifizierte israelische Siedlungsprogramm, über das sich die ganze Welt empört.

    Der Kompromiss sieht für mich immer noch nach einer steilen Treppe aus. Mehr Leiter als Treppe. Vermutlich wird es eine gestufte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Orthopäden. Vermutlich wird sie vom TÜV verboten. Vermutlich schreitet die Gleichstellungsbehörde der Bundesregierung gegen mein Arbeitszimmer ein, weil es die Arbeit älterer Mitarbeiter unmöglich macht und daher als seniorenfeindlich und als gesellschaftspolitisch verfehlt einzuschätzen ist. So wird das sein. Und Pia wird sagen: »Aber der Raum ist schöner.«
    In den nächsten zwei Wochen bin ich unterwegs. Ich schaue mir Kinderhochbetten mit Leitern an. Ich prüfe die Kinderrutschtreppe im Freibad. Ich rufe alle Freunde an und lade mich selbst in ihre Wohnungen ein, um Treppen zu vermessen und um mir Notizen zu machen. Ich gehe zum Orthopäden und frage ihn, was er mir rät. Er sagt, meine Bandscheiben seien in Ordnung. Ich glaube ihm nicht und gehe zu einem anderen Arzt, der mir bestätigt, dass ich auf meine Bandscheiben aufpassen soll. Ich will das schriftlich und gehe mit einer akuten Bandscheibenvorwölbung triumphierend nach Hause. Leicht hinkend.
    Pia fragt mich scharf, ob ich etwa ein Attest bei der Gräulichen einreichen wolle. Wenn ich die Treppenleiterleitertreppe nicht wolle, »dann planen wir halt um«. Ich sage: »Ist ja gut.« Aber ich fühle mich elend. Ich habe das Gefühl: Wer den Kampf um die Treppe verliert, der verliert auch den Krieg um das Haus.

    Die Gräuliche macht mir Angst. Und eigentlich will ich auch kein Arbeitszimmer in Obermenzing, sondern am Marienplatz. Ich sage es Pia.
    »Du Idiot.« Aber sie verspricht mir, dass ich niemals da hinaufmüsse, hinauf in ihr Arbeitszimmer. Nicht in meinem Zustand als gehbehinderter Senior.

13. Kapitel, in welchem die Theorie grau und das Leben schwarz ist, wobei sich außer der Frage nach der richtigen Farbe auch die Frage stellt, was man eigentlich wäre, wenn man ein Möbelstück von Ikea

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