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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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Biografie haben, sondern eine Art szenische Zusammenfassung. In Filmen geht das. Da wird dann ein Mann gezeigt, der etwas sagt, Dinge wie »Nicht mit mir« oder »Auf gar keinen Fall« und dann, zack, Vorblende. Eine Vorblende mit der für den Zuschauer im Kino gut lesbaren Unterzeile
»Sechs Monate später«. Und dann kommt eine Szene, die deutlich macht, dass es eben doch ganz gut mit ihm gegangen ist. Beziehungsweise: dass »auf keinen Fall« im Leben oft so übersetzt wird: in jedem Fall. Das ist die Du-wirst-eh-nicht-gefragt-Vorblende.
    Zum Beispiel: Als Julia zur Welt kam, habe ich einen wunderbaren alten Mercedes, Baujahr 72, gefahren. In Erbsensuppengrün mit braun getönten Scheiben und einem Lenkrad, groß wie das Steuerrad eines Mississippi-Schaufelraddampfers. Ein kultiges DJ-Auto also. Spitze. Ich habe ihn geliebt, meinen Strichachter, wie wir Mercedes-Kenner dazu sagen.
    Dann war Julia da, weshalb Pia sagte: »Verkauf doch dein DJ-Auto. Was wir jetzt brauchen, ist ein Kofferraum für den Kinderwagen und Airbags vorne und hinten und eine Klimaanlage. Den VW Touran finde ich gut. Der hat so ein klares Design, ist nicht zu groß, nicht zu klein und sieht sehr zuverlässig aus. Was meinst du, Schatz?«
    Der Schatz sagt: »Einen VW? Einen Touran? Bist du verrückt? Einen fahrbaren Backstein? Nur über meine Leiche.«
    Das ist der Zeitpunkt für die Vorblende. Gäbe es so eine Vorblende von Haus aus, würde man sich viel Kummer ersparen. Zum Beispiel müsste man dann nicht wochenlang durch Autohäuser ziehen, und man müsste sich keine Prospekte schicken lassen, man müsste keine Internetforen besuchen und auch nicht nach tollen Youngtimern auf dem Automarkt Ausschau halten.

    Ein überirdischer Regisseur, man könnte ihn Gott nennen, würde dann einfach im richtigen Augenblick die Vorblende laufen lassen. Man sagt also zum Beispiel: »Nur über meine Leiche.« Und, zack, sieht man sich in einem VW Touran sitzen, der hat Airbags vorne und hinten, ist nicht zu klein und nicht zu groß, während Pia mit zufriedenem Gesichtsausdruck an der neuen, tollen Klimaanlage herumspielt. Untertitel: »Sechs Monate später.« Mein Leben hat oft diesen Untertitel, wenn ich »nur über meine Leiche« sage.
    Aber warum bin ich eigentlich ein »blauer Mensch«, wie Pia findet? »Ich bin rosa.« Das sagt Julia, während sie ihr rosa Eis weglöffelt.
    »Warum blau, Pia? Ich finde weiße Häuser gut.«
    »Und so normal.«
    »Was ist schlecht an normal?«
    »Es ist auch normal, dass die Leute Blutwurst essen, Volksmusik hören und rechtsradikale Parteien wählen. Die Normalität ist oft nur Blödsinn. Vanillegelb sind die Häuser auch. Willst du Vanillegelb.«
    »Nein«, sage ich.
    »Siehst du«, sagt Pia.
    »Streitet ihr?«, fragt Julia. Und dann, aus strategischen Gründen: »Warum ist Papa blau?«
    Pia sagt: »Dein Papa ist blau, weil der blaue Typ ein ernsthafter, in sich gekehrter, objektiv denkender Mensch ist, der Wert auf Stille, Harmonie und Ausgeglichenheit legt. Bundespräsidenten, Verfassungsrichter - das sind alles blaue Menschen.«

    Und dann zitiert sie weiter aus ihrem schlauen Buch: »Klar strukturierte Gedanken und Sachlichkeit sind für den blauen Menschen von Bedeutung. Chaotische, unkontrolliert rauschhafte Zustände lehnt er ab. Wilden, unüberlegten Leidenschaften ist er abhold.«
    Jetzt kichern beide. Sogar Julia ist klar, dass ihre Mutter von sich selbst spricht. Pia ergänzt noch: »Der blaue Mensch hat jedoch keine Probleme mit chaotischen Menschen.« Das sagt sie mit einem Lächeln in meine Richtung. Chaotische Menschen sind, glaube ich, gelb. »Oder rot? Pia, sind chaotische Menschen rot?«, frage ich.
    »Nein«, sagt Pia, während wir aufstehen, um unsere 500 Teelichter zu holen und meinem alten Kumpel Ivar hallo zu sagen, »chaotische Menschen sind erbsensuppengrün.« Wir lachen und fahren nach Hause. Dort frage ich mich zum tausendsten Mal, wer sich eigentlich für dieses unfassbar quietschige Grün im Wohnzimmer entschieden hat. Pia sagt, ich sei das gewesen.
    Wir sitzen also in diesem Wohnzimmer, von dem Pia immer sagt, es sei das »grüne Zimmer«, weil das so hübsch klingt. Außerdem hört sich das so an, als hätten wir auch noch einen blauen Salon. Das Grün leuchtet dermaßen intensiv, dass ich vermute, die chinesische Mauer und unser grünes Zimmer, das sind die beiden Dinge, die man vom Mond aus am besten erkennen kann. Freunde haben einmal gefragt, ob man davon nicht Kopfschmerzen

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