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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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Dämmerung mit Wasserpumpguns an den Fenstern Posten beziehen, und ich denke über die Möglichkeit nach, flüssiges Pech wie im Mittelalter vom Dach regnen zu lassen. Pia sagt seit Jahren im Sommer nur: »Es wird Zeit, dass wir wegziehen.« Das stimmt natürlich, aber, unglaublich, angesichts der Ankündigung im Treppenhaus weiß ich an diesem Tag schon, wie sehr mir das Ritual fehlen wird.
    Überhaupt setzt bei mir zunehmend Melancholie und bei Pia ebenso zunehmend Heiterkeit ein. Einerseits naht der Abschied von der Ismaninger Straße, und andererseits warte ich immer noch darauf, dass der Kellerdeckel mal den Maßstab ändert und groß erscheint. Es wird Zeit, dass der Tieflader kommt.

    Unser Haus kommt wie vom Versand. Es ist ein Holzhaus, bei dem die Wände und Decken und das Dach in einer Art Hausfabrik gebaut werden, fix und fertig, mit Fenstern und allem. Dann werden die Fassadenteile auf die Straße geschickt, um an Ort und Stelle zusammengeschraubt zu werden. Das fasziniert mich.
    Pia findet das noch etwas befremdlich. Aber, sage ich zu ihr während der Planungszeit, wozu sogar die Gräuliche nickt: »Holz ist Öko, die Dämmwerte sind prima, und die Vorfertigung ist eine schnelle Baumethode, weshalb wir nicht mehr so lange Miete zahlen müssen. Also?«
    »Aber«, sagt Pia, »das ist ein Fertighaus. Ich will ein richtiges Haus.«
    »Nein«, sagen die Gräuliche und ich synchron, »das ist ein ganz individuelles Haus - wie vom Schneider.«
    Mir ist klar, warum Pia so zickt. Für sie bestehen Häuser aus Stein und aus Ewigkeit. Man soll ihnen ansehen, dass man aus ihnen nie mehr ausziehen muss. Für mich ist es genau umgekehrt: Holzhäuser kann man mit der Säge bearbeiten und sie auf Tiefladern auf die Reise schicken. Sie sehen aus, als ob man damit mobil bleiben könnte.
    In Pias Bücherstapel neben ihrem Bett, der langsam abschmilzt, weil viele Wohnwünsche schon realisiert wurden (»Kleine Häuser«) oder sich als endgültig utopisch herausgestellt haben (»Die Villa«), finde ich schließlich auch ein Buch über die Geschichte des Fertighauses.

    Darin wird von einem gewissen Buckminster Fuller erzählt, einem Amerikaner, der auf heitere Art zum Teil irre und zum Teil genial gewesen sein muss. Herr Fuller war sehr klein, nur 157 Zentimeter groß, was ihn aber nicht daran hinderte, sich für den Größten zu halten. Auf Dinnerpartys erschien er meistens in Khakishorts, er flog von der Uni in Harvard wegen »Verantwortungslosigkeit und Desinteresse«, und alle seine Jobs (Monteur, Transportarbeiter, Hilfskassierer, Marinekadett, Redakteur, Exportmanager, Flugzeugpilot und Firmengründer, aber das ist nur eine kleine Auswahl) erwiesen sich als nicht das Richtige. Richtig interessierte er sich eigentlich nur für die Frage, wie das Universum funktioniert, und das Thema »Wohnen am Nordpol«. Ungeheuer sympathisch ist das. Im Jahr 1927 gründete er deshalb die Firma »Stockade Building Co.« und ernannte sich zu ihrem Präsidenten. Der Präsident hatte eine prima Idee: Er wollte in New York Häuser bauen lassen, die man im arktischen Sommer Zeppelinen unterschnallt, dann rüber zum Nordpol fliegt, wo man sich noch aus der Luft (die glücklichen Hauskäufer dürfen mitfliegen) ein geeignetes Grundstück erwählt. Dann wird das ganze Haus wie eine Bombe abgeworfen und festgeschraubt. Gardinen und Briefkasten vollenden den Umzug. Fuller schrieb in seinem Tagebuch: »Weg fährt der Zep, um einige weitere Auslieferungen zu machen.« An anderer Stelle heißt es: »Uns« - denn Herr Fuller sprach gern im Pluralis majestatis von sich -, »uns beschäftigt vor allem das Andocken
von erstklassigem Wohnraum auf der Erdoberfläche.« Weg fährt der Zep, denke ich beim Lesen der Fuller-Story und finde den Mann toll. Leider macht seine Firma nach wenigen Tagen ihrer Existenz Pleite. Vom Zeppelin-Fertighaus hat die Welt danach nie wieder etwas gehört. »Schade, wirklich schade«, sage ich zu Pia. Und Pia sagt: »Natürlich nicht. Alles Blödsinn.«
    Unser Haus, das der Laster und nicht der Zep bringt, ist trotzdem aus Holz. Es ist eine Frage des Preises. Ich hätte nie geglaubt, dass mir Pias niederrheinische Sparsamkeit mal willkommen sein könnte. »In Ordnung«, sage ich zu mir selbst, »werde ich also Hausbesitzer, sei’s drum. Aber! Aber das Haus besteht aus leichten Brettern. Man muss nur Räder dranmachen. Notfalls könnte man die Adresse in Obermenzing auch mit einer am Nordpol ersetzen.« Ich gebe zu, dass

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