Meine Frau will einen Garten
damit nicht viel gewonnen wäre. Es geht nur ums Prinzip. Indianer würden mit dem Zep umziehen oder Häuser, wenn sie nicht aus Tierhäuten sein können, aus Holz haben. Wenigstens.
Es ist ein Mittwoch, an dem der Tieflader mit unserem Haus in den Blumenauer Weg einbiegt, ein paar Straßenschilder ramponiert und die Nachbarn zu Tode erschreckt. In vier Stunden steht das Erdgeschoss, am Donnerstag wird das Dach aufgesetzt, am Freitag steht unser Haus dort, wo zuvor nur ein unbewohnbarer Einödkellerdeckel lag. Es ist unglaublich. Ich bin restlos begeistert und wandere durch die Räume, wobei ich
denke: »Mein Haus.« Ein paar Minuten lang bin ich glücklich. Dann sehe ich die kaputte Treppe, die falsch eingebauten Fenster - und ist das etwa ein Riss, da im Blechdach? Es fängt an: das Fegefeuer der Bauschäden, der Nachträge, der Zusatzkosten und der Minderungsverhandlungen. Und das Fegefeuer nachbarschaftlicher Kommentare. Ich weiß nicht, welche Hölle schlimmer ist.
Fast glaube ich, dass ein Haus aus »vorgefertigten Elementen«, wie unsere Hausbaufirma es formuliert, die sich Baugut GmbH nennt, um den Begriff »Fertighaus« elegant zu umschiffen, dass so ein Instant-Haus ein psychologisches Problem für die Nachbarschaft darstellt. Vielleicht reagiert unsere neue Umgebung deshalb so gereizt. Erstens wegen der Farbe, was man bei Schwarz ja auch verstehen kann, und zweitens, weil das Haus nicht langsam entsteht, sondern quasi aus dem Hut gezaubert wird. Das ist den Leuten unheimlich. Das ist das Gegenteil vom zeitgenössischen Phänomen des Softopenings. Das ist sogar ziemlich rüde. Und zack! Binnen drei Tagen sieht der Blumenauer Weg anders aus als in all den Jahren zuvor. Weg fährt der Zep. Kein Wunder, dass die alteingesessene Blumenauer Bevölkerung empfindsam reagiert.
»Ich habe nur eine Frage«, blafft mich eines Abends jemand vor unserem Haus an, »bleibt das so?« Ich sage: »Hm, ja, warum nicht.«
»Weil«, sagt der Blaffer erregt, »weil das Haus so hässlich ist. Das finden alle hier. Nichts für ungut.« Ich
weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Eigentlich möchte ich antworten, dass mir wurscht ist, was die minderbemittelten Ureinwohner einer so offensichtlich rückständigen Randzone finden oder nicht finden, ich möchte dem Blaffer einen Vortrag über die zivilisatorischen Leistungen der Stadt als Katalysator kulturellen Austausches halten, aber in einem Anfall von Diplomatie sage ich nur: »Ja, das kann man natürlich so oder so sehen.«
»Nein«, sagt der Blaffer, »man kann’s nur so sehen.«
»Wie sehen?«
»Es ist hässlich. Ein Schandfleck.«
Jetzt werde ich wütend. Niemand beleidigt mein Haus. Ich mache einen Schritt auf den Blaffer zu. Da geschieht ein Wunder. Aus dem Haus von schräg gegenüber kommt ein junges Paar, das sich als absolut innenstadttauglich erweist. Sie gratulieren mir zum Haus und weisen den Blaffer in die Schranken: »Endlich mal was anderes. Seien Sie nicht so intolerant.« Dann kommen weitere Passanten dazu, und plötzlich diskutiert die Gemeinschaft des Blumenauer Weges, ob man das Haus nun so oder doch so sehen müsse. Mit knapper Mehrheit werden wir als vollwertige Mitglieder auf Bewährung akzeptiert. Ich fühle eine beklemmende Dankbarkeit und freue mich über den Großmut meines Gastlandes. Der Blaffer erweist sich in den folgenden Wochen als eine Art Vororthistoriker, der mir die Geschichte Obermenzings rauf und runter erzählt. Pia hört ihm immer begeistert zu, und Pia zuliebe sagt
der Blaffer eines Tages: »Warum auch nicht. Schwarz, hm. Endlich mal was anderes.«
Pia und ich, Max, der Hool, der wie geschaffen ist für Baustellen, auf denen man, wie offenbar auf unserer, ungestraft wüten kann, dazu Anton und Julia: Wir laden unsere Umgebung zum Richtfest ein. Fast alle kommen, sogar Herr Strutz und der Blaffer. Es ist ein schöner, schon heißer Tag am Wochenende. Pia hat liebevoll Biergartengarnituren in den ausgetrockneten Matsch rund um unser Haus gestellt. Die Tische biegen sich unter dem Essen, das sie auffährt. Sie sagt, es sei wichtig, wie man sich präsentiert. Und dass immer mehr gegessen wird, als man denkt.
Den Richtspruch erledigt Wumme wie nebenher und nuschelt was von Holzgeistern. Er steht oben auf dem Gerüst, das unser Haus umgibt wie ein Mikadospiel für Riesen. Wichtig ist, dass das Weinglas, das er auf den Boden schmettert, zerbricht. Bleibt es heil, ist das ein schlechtes Zeichen. Zum Glück ist Wumme ein Bär. Er
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