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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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bauen wollte, sind daran schuld. Oder man wird sagen: Die Behörde ist schuld. Oder man wird die Nachbarin an den Pranger stellen. Ich vermute, wir alle zusammen werden aus der Stadt gewiesen. Deshalb
ist ja auch Moechtgens so zittrig. Er weiß, dass er mir jetzt irgendwie zu einer Ausnahmegartenhausbaugenehmigung verhelfen muss, die so wasserdicht ist, dass die Nachbarin notfalls auch vor dem Bundesgerichtshof scheitert. Moechtgens wäre nicht der gute Beamte, der er ist, wenn er nicht schon eine Lösung hätte: Wir dürfen ein Gartenhaus bauen, allerdings nicht in den vorgesehenen Abmessungen, sondern - mit Rücksicht auf das Nachbargrundstück und wegen irgendwelcher uralter Wege- und Wasserrechte der Stadt München - in einer bizarren Form: Das Gartenhaus muss extrem schmal, extrem lang und extrem hoch sein.
    Dann wird es endlich gebaut. Als es fertig ist, versuche ich, ein Fahrrad hineinzuschieben, was nur geht, wenn man es hochkant einstellt. Dann fällt es aber um. Deshalb hat Pia die Idee, Haken vom Dachbalken abzuseilen. Alle unsere Fahrräder baumeln jetzt im Gartenhaus vom Haken, dazu das Gartengerät und ein paar Werkzeuge. Alles baumelt und hängt. Die Kinder lieben das. Es ist, als sei man in einem Himmel voller Vehikel und Werkzeuge. Ich denke darüber nach, auch Schinken und vielleicht Dörrfisch von der Decke des Gartenhauses abzuseilen. Mein Gartenhaus sieht aus wie der Schnürboden im Theater. Es ist noch grotesker als unser Haus, aber das macht auch schon nichts mehr.

    Ein Problem ist, dass das Haus erst nicht da war, dann da war und jetzt irgendwie nicht mehr wächst. Von einem
Haus, Pia nennt es inzwischen nicht mehr »schmal«, sondern spricht nur noch vom »kleinen Schwarzen«, das von der Kellerdecke bis zum Dachfirst nur in drei Tagen errichtet wird, erwartet man, dass es wie steroidgedopt weiterwächst. Es steht aber nur so da und lässt die Ohren hängen wie ein trauriger Dackel.
    Das heißt: nicht die Ohren, sondern die Dachrinnen, die der Spengler nicht richtig hingedreht hat. Ich frage Wumme. Ich frage jetzt immer öfter Wumme und rufe ihn morgens und mittags und abends an. Ich fahre täglich auf die Baustelle, morgens, mittags und abends. Ich nehme Urlaub. Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich tausend Probleme habe. Ein Problem sind die Dackelohren vom kleinen Schwarzen. Wumme sagt: »Das muss so sein.« Wumme hat genau drei Sätze drauf. Erstens: »Das muss so sein.« Zweitens: »Das kommt noch.« Drittens: »Ist halt so.«
    Wumme und ich sind nicht mehr in der Das-kommtnoch-Phase, wo ich dauernd auf jemanden warte, auf den Elektriker, auf den Maler, auf den Rohbauer, auf den Wegebauer, auf den Gartenbauer, auf den Sanitärer, auf den Schreiner, auf den Fliesenleger oder sonst etwas, was sich endlich mal ereignen könnte wie der Jüngste Tag, an dem unsere Handwerker vermutlich wie an allen anderen Tagen unauffindbar sein werden. Wir sind jetzt in der Das-muss-so-sein-Ära, wo die Hinterlassenschaften der stets unsichtbaren Handwerker begutachtet werden.
    »Warum muss das so sein? Die Regenrinnen sind
schief. Das sieht doch ein Blinder.« Wumme schaut angestrengt zum Dach hin und erklärt: »Wenn die Rinne gerade ist und es stark regnet, dann könnte es sein, dass sie überläuft. So wie es jetzt ist, läuft die Rinne vom Haus weg über. Weg von der Fassade.«
    »Und wenn die Rinne anders gebogen ist, nämlich gerade?«
    Wumme schaut mich an, wie ein besonders geduldiger Pädagoge ein Kind ansehen würde, das niemals irgendetwas kapieren wird. Er sagt: »Dann läuft der Regen zur Fassade hin über.«
    »Und?«
    »Dann«, Wumme legt Milde in seinen Blick, »wird die Fassade nass.«
    »Und?«
    »Nicht gut.«
    »Nicht gut?«
    »Nicht gut.«
    Wumme geht ins Haus, weil alles gesagt ist. Wumme ist ein Mann der Tat, aber einer mit pädagogischem Geschick. Das kleine Schwarze wird also für immer ein wenig an einen traurigen Dackel erinnern.

    Wumme lässt sich übrigens nur einmal, ein einziges Mal, dazu hinreißen, anzudeuten, was er von der Gräulichen hält. Das ist jetzt der Fall. Er sagt: »Dachüberstand wäre gut. Geht aber nicht wegen der Architektur, oder?«
    Das meint er rhetorisch. Insgeheim gebe ich ihm
Recht. Dachüberstand wäre gut. Geht aber nicht wegen der Architektur.
    Manches geht nicht wegen der Architektur, manches geht nicht, weil sich das deutsche Handwerk nicht bereit erklärt dazu. Zum Beispiel will niemand unsere Steckdosen so anbringen, dass sie gerade sind. Als

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