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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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schleudert das Glas mit brachialer Kraft zu Boden, wo es in tausend Scherben zerstiebt. Ich atme auf. Ich bin der Abergläubische in der Familie. Dann führe ich die Nachbarschaft durchs Haus. Alle sind begeistert oder tun wenigstens auf überzeugende Art so. Nur Anton verbringt diesen schönen Tag im Keller. Ein Nachbar fragt ihn, was er am schönsten findet am neuen Haus, und Anton sagt bierernst: »Keller.« Der Nachbar wirft mir einen langen Blick zu.

    Insgesamt hat sich die Nachbarschaft darauf geeinigt, dass die Bewohner des schwarzen Hauses im Grunde nett sind, dass sie aber kein Geld und keinen Geschmack haben. Mit diesem Urteil kann ich leben.

    Das gilt nicht für die Lokalbaukommission. Die hat zwar unser Haus genehmigt, nicht aber das Gartenhaus. Und weil das Fundament fürs Gartenhaus im April gelegt wird, fordert eine Nachbarin, die uns informiert, sie lasse sich so leicht nichts gefallen, Aufklärung. Wir klären auf und sagen, dass Gartenhäuser keine Genehmigung brauchen.
    »Aber das Gartenhaus verdirbt mir die Sicht. Das dürfen Sie nicht bauen. Und wo das Haus ja schon so … schwarz ist …«
    Sie lässt sich nicht beirren. Die Lokalbaukommission wird eingeschaltet und prüft. Und prüft. Und prüft. Und dann kommt der Anruf. Und der Obermenzinger Gartenhauskrieg kann endlich in die Geschichte eingehen. Er gehört zu den großen tragischen Konflikten der Neuzeit.
    Ich bin am Telefon, es ist schon Mai. Mehr als das Fundament ist vom Gartenhaus nicht zu sehen. Die Baugut GmbH hat dazu geraten, erst mal den Streit zu regeln.
    Nicht, dass man das schöne Gartenhaus dann wieder abreißen muss.
    Nicht, dass ich ein Gartenhaus-Fetischist wäre.
    Aber wir brauchen es. Unbedingt. Schließlich können
wir wegen des schmalen Grundstücks einerseits und der Formempfindsamkeit der Gräulichen andererseits keine Garage bauen. Und eigentlich wollen wir auch keine Garage, weil wir finden, dass die Menschen wichtiger sind als die Autos. Nur haben unsere drei Kinder zusammen etwa zwanzig Fahrgeräte, darunter das Einrad von Julia, das Tretauto von Max, das Skateboard von Anton, dazu die Fahrräder von uns allen, den Kinderfahrradanhänger, Inlineskates von Anton und Julia, einen Hüpfball von Max, dazu dies und das, solange es der Fortbewegung dient. Insofern nehmen wir zwar nicht unser Auto wichtig, aber dafür alles andere, was Reifen hat. Ich stelle mir vor, dass ich das alles in Zukunft durch das Haus in den Keller tragen muss, weil eine Nachbarin aus Gründen der Resolutheit nicht auf unser Gartenhaus schauen will.
    Am Telefon meldet sich die Stimme des Amtes: »Wir haben ein Problem.« Das ist Herr Moechtgens von der LBK, den ich schon kenne, weil er für Obermenzing zuständig ist. Der Großraum »Münchner Westen« ist sein Hoheitsgebiet. »Wieso wir, Herr Moechtgens, normalerweise sagen Sie mir immer, dass ich ein Problem habe.«
    »Diesmal ist es anders.« Es folgen komplizierte Ausführungen, die in die Abgründe des Baurechts, des Stadtrechts, des Individualrechts und des Naturschutzes weisen. Abgekürzt könnte man das gemeinsame Problem so darstellen: Unser Gartenhaus benötigt eine Ausnahmeregelung, was in Deutschland die
Ausnahme ist, weil normalerweise Gartenhäuser, die eine bestimmte Größe nicht überschreiten, frei errichtet werden können. Dieses besondere Gartenhaus am Blumenauer Weg aber nicht, und zwar nicht deshalb, weil es, wie die Nachbarin mutmaßt, von ausgesuchter Scheußlichkeit wäre, sondern weil man am Blumenauer Weg aus irgendwelchen historisch-vertrackten Gründen grundsätzlich nicht »im Außenraum«, wie es heißt, bauen darf. Komplizierte Sache, die aber zu einer einfachen Schlussfolgerung führt: Alle Garagen, Gartenhäuser, Pools und Mülltonnenhäuschen, die am Blumenauer Weg in den letzten einhundert Jahren errichtet wurden, sind Schwarzbauten und müssten eigentlich abgerissen werden. Denn da die Nachbarin nun mal die Behörde aufgescheucht hat, kann die Behörde nicht mehr zurück: Sie muss eingreifen.
    Ich sehe schon den Tag herandämmern, da die Bulldozer halb Obermenzing umgraben. Es wird ein Getöse, ein Drama, Kinder werden weinen um ihre Hasenställe, Männer werden sich mit Schneeschaufeln und Gieskannen der Obrigkeit in den Weg stellen. Der Kampf wird hin und her wogen. Noch von der Stadtmitte aus wird man den Schlachtenlärm hören und eine große Staubwolke im Westen sehen. Und man wird sagen: Pia, Max, Anton und Julia sowie der Typ, der ein Gartenhaus

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