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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Matzing
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Wunder.

15. Kapitel, in welchem aussortiert, gepackt, ausgezogen und dann wieder eingezogen sowie ausgepackt und einsortiert wird. Das Leben hat in diesen Tagen starke Ähnlichkeit mit einem Umzugskarton. Und übrigens: Meine Frau bekommt einen Garten - und die Geschichte ist aus. Eigentlich, denn es zeigt sich, dass ich gerne im Garten arbeite, während Pia anfängt, sich für zentral gelegene Mietwohnungen in der Innenstadt zu interessieren.
    »Weil«, sagt Max, der Hool. Und Pia sagt zu mir: »Du hältst ihn jetzt fest, während ich fotografiere.« Ich sage, dass das nicht geht. »Wenn ich ihn festhalte, schreit und weint er. Dann hast du ein schreiendes und weinendes Kind auf der Postkarte, die du machst, damit alle unsere Bekannten sehen, dass wir drei glückliche Kinder haben, die jetzt glückliche Stadtrandbewohner und glückliche Garteninsassen sind. Die Leute werden denken, dass auf zwei glückliche Vorortkinder ein schreiendes, weinendes und extrem unglückliches Vorortkind kommt, was der Statistik vermutlich annähernd entspricht. Wenn nicht umgekehrt. Zwei schreiende, weinende Suburbia-Strafgefangene kommen auf ein glückliches …«
    »Fängst du schon wieder an?« Pia ist nicht gut drauf heute. Sie hasst Umzüge. »Und es ist kein Vorort. Wir ziehen von München nach München - und nicht von einem Kontinent auf einen anderen. Schon vergessen?«

    Was soll ich dazu sagen? Sie versteht mich nicht. Gefühlt ist Obermenzing ein Kontinent, und München City ist ein anderer. Ich gebe auf. »Gut, bitte, wenn du meinst, dann halte ich Max jetzt fest. Wirst schon sehen.«
    »Komm her«, sage ich mit pädagogischem Unterton in der Stimme zu Max. Und Max sagt: »Nein.« - »Warum nicht«, will ich wissen, »warum steigst du nicht wie Julia und Anton in diesen Umzugskarton und lässt dich von Mami fotografieren, damit wir unseren Freunden Karten schicken können, auf denen draufsteht, wo ihr jetzt wohnt. Warum denn nicht, hm?«
    Max sagt: »Weil.«
    Wann Max damit angefangen hat, sich Diskussionen mit einem rigorosen »Weil.« zu entziehen, mit einem »Weil.« inklusive Punkt, wissen Pia und ich nicht mehr. Der Witz daran ist, dass sich Max scheinbar auf die Argumentation einlässt, dem einleitenden »Weil.« dann aber die große Stille folgt, sodass man selbst irgendwie dumm dasteht, während für Max alles gesagt ist. Es ist, als wollte man seine Intelligenz beleidigen und seine Geduld über Gebühr in Anspruch nehmen, wollte man so kleinkariert sein, um darauf zu bestehen, dass dem »Weil.« außer dem irritierenden Punkt noch irgendetwas folgen sollte. Und sei es auch ein irritierendes Statement.
    Auf seine Weise ist der Hool ein Philosoph. Nur würde der Philosoph vom Geworfensein in die prinzipielle Sinnentleertheit eines unentrinnbaren Daseins
sprechen, während es beim Hool »Weil.« heißt. Eigentlich mag ich dieses maxsche »Weil.« Es sagt viel über das Leben. Aus pädagogischer Sicht muss ich jedoch sagen: Es ist eine perfide Kleinkindstrategie, weil so nie ein vernünftiges Gespräch zustande kommt. Es passt aber gut zu großem Kino. In »Spiel mir das Lied vom Tod« wird der Böse jahrelang verfolgt von einem Guten. Am Ende liegt der Böse am Boden und will wissen, wofür er denn nun büßen muss, schließlich kann er sich, bei all dem Bösen, das er schon angerichtet hat, doch nicht an jede Kleinigkeit erinnern. Da setzt ihm der Gute den Stiefel auf die Brust und zieht die Mundharmonika hervor, um den Bösen an dies und jenes zu erinnern. Er könnte aber, finde ich, auch »Weil.« sagen. Der Effekt wäre für das Publikum sogar interessanter, abgründiger. Max, der Hool, scheint das instinktiv zu spüren.
    Als Max auf die Welt kam, standen ihm die blonden Haare zu Berge, als hätte er sich vor der Geburt noch rasch mit viel Gel gestylt. Damit gleich mal klar ist, dass dieser Max hier auf Radau gebürstet ist. Das ist ihm geblieben: Seine Haare stehen immer hoch, als wollte jede Haarspitze einzeln auf dem großen »Weil.« bestehen.
    »Dann halt nicht«, sagt Pia, »dann kommt der Hool also nicht mit aufs Bild.« Sie fotografiert nur Julia und Anton, die sich in die Umzugskiste schmiegen wie zwei kleine Kätzchen. Das wird eine poetische Karte, die aller Welt erzählt, dass der Vater dieser süßen Kätzchen
nun nicht mehr in der Zivilisation zu erreichen ist, sondern am Rand der Welt. Dort, wohin Expeditionen geschickt werden, um spurlos zu verschwinden. »Niemand«, sage ich zu Pia, »wird wissen

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