Meine Freundin, der Guru und ich
würde, oder sonst irgend etwas Schlimmes. Zum anderen konnte ich mir nicht vorstellen, was man den ganzen Tag in einem Land tun soll, das zu arm ist, um Museen zu haben. Nicht daß ich mir besonders viel aus Museen machen würde, ich meine nur, daß es schon ganz okay ist, sich eine Weile lang Sehenswürdigkeiten anzuschauen – ein paar Wochen vielleicht. Aber was macht man, wenn es nichts zu sehen gibt? Wandert man dann nur so rum und schaut sich die armen Leute an und ißt widerliches Zeug, das einem für den Rest des Lebens die Leber ruiniert? Ich meine: Was macht man so den ganzen Tag?
Die vielsagendste Verteidigung des Reisens kam von Paul, der sagte: »Weiß nicht. Irgendwas muß es ja geben, das man machen kann. Anscheinend ist das Dope dort echt günstig.« James hatte sich dann zu einer langatmigen Theorie über imperialistische Kulturvorstellungen aufgeschwungen, und darüber, daß man sich in eine Situation bringen müsse, in der man herausgefordert wird, über Dinge nachzudenken, die man im Westen für selbstverständlich hält, aber was er ganz offensichtlich sagen wollte, war: »Das Dope ist echt billig.« Abgesehen davon: Jemand, der davon redet, daß man sich in seinen kulturellen Vorstellungen herausfordern lassen müsse, und der dann nach Thailand fährt, hat doch von Tuten und Blasen keine Ahnung.
Auch wenn ich die ganze Sache für ziemlich witzlos hielt, fühlte ich mich doch unter einem gewissen Druck, es ebenfalls zu machen. Wie auch immer ich mein Bedürfnis, in Europa zu bleiben, rationalisierte, am Ende hatte ich, wenn ich ganz ehrlich war, stets das Gefühl, daß es aus reiner Feigheit geschah. Es gab keine andere Erklärung. Wenn ich nicht den Mumm hatte, in die dritte Welt zu fahren, war ich ein Weichei.
Insgeheim hoffte ich wohl, daß irgend etwas geschehen würde, aufgrund dessen es mich irgendwie in ein Land verschlug, in dem Leid, Gefahr und Armut herrschten – aber ich war nicht willens, dem Zufall auf die Sprünge zu helfen. Ich wollte zwar eine dieser großen Reisen hinter mir haben, aber ich würde es niemals fertigbringen, mir selbst so eine Reise anzutun. Leid, Gefahr und Armut – schön und gut. Aber Schmutz und Krankheit sind zwei Dinge, die ich schlichtweg hasse. Ich hatte einfach keinen Bock zu fahren.
Und was die Frage anging, was ich tun würde, wenn ich aus der Schweiz zurückkam, so war ich schon deprimiert, wenn ich nur darüber nachdachte. Bis dahin würde ich jede Menge Geld verdient haben, und die Verpflichtung wegzufahren würde dann größer denn je werden. Ich mußte mir was ausdenken, wie ich das Geld ausgeben konnte, ohne daß es zu sehr nach Kneifen aussah.
Mein Ferienjob in der Schweiz stellte sich als genauso stumpfsinnig heraus wie der im Sock Shop. Die alpine Langeweile unterschied sich von der großstädtischen nur dadurch, daß sie ein bißchen besser riecht. Irgendwie gelang es mir nicht, eine Millionärin kennenzulernen, die spitz war und nur noch ein paar Monate zu leben hatte, also kehrte ich nach England zurück, ohne einen Plan zu haben, was ich mit dem Rest meines Jahres anfangen sollte. Mittlerweile war es März geworden, und alle meine Freunde waren entweder im Ausland oder an der Uni.
Nachdem ich zum wiederholten Male ziellos mein Adreßbuch durchgeblättert hatte, war ich gezwungen, die Tatsache anzuerkennen, daß ich wohl irgend etwas Radikales würde machen müssen, wenn sich in meinem Leben etwas tun sollte. Ich kramte den Bierdeckel hervor und starrte auf Liz' Telefonnummer.
Jedesmal, wenn ich am Telefon vorbeikam, beschleunigte sich mein Puls ein bißchen. Das ging ein paar Tage lang so. Ich konnte mich einfach nicht entschließen, sie anzurufen.
Nachdem ich ein paarmal das übliche Ritual durchlaufen hatte – anfangen, die Nummer zu wählen, wieder auflegen, ein paarmal ums Haus laufen, Milch einkaufen gehen, anfangen, die Nummer zu wählen, wieder auflegen, schnell um die Ecke 'ne Zeitung kaufen, anfangen, die Nummer zu wählen, wieder auflegen, in den Garten rausgehen und kleine Tiere quälen –, zwang ich mich dazu, es endlich hinter mich zu bringen.
»Hallo – ist Liz da?«
»Ja – am Apparat.«
»Oh.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Was sagte man in solchen Situationen?
»Hi«, versuchte ich es.
Das war's. Das klang richtig.
»Hi. Wer ist da?«
»Ah – ich bin's. Dave. Dave Greenford, der Freund von James.«
»Dave! Ach, das ist ja nett, daß du dich mal meldest. Wie geht's?«
»Oh, ganz
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