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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Sutcliffe
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oder?«
    »Ich werde vermutlich auch noch nach ›Asien oder so‹ fahren. Meine Sommerferien sind noch lang genug.«
    »Ich weiß, darüber haben wir ja schon gesprochen. Was ich sagen will, ist ja nur, daß du, wenn du wie Dave ein ganzes Jahr hättest, deine Zeit nicht damit verschwenden würdest, durch Europa zu gondeln.«
    »Und alles, was ich sagen will, ist: Hör auf, dich so aufzuspielen. Wir wissen alle, wo du hinfährst. Wir finden dich alle wahnsinnig clever und tapfer. Und jetzt Schluß damit.« Schweigen senkte sich über den Raum, als sie sich anstarrten. Auf James' Schläfen zeichneten sich deutlich seine Adern ab. Ich war kurz davor, vor Freude in Ohnmacht zu fallen.
    »Soll ich uns noch was zu trinken holen?« fragte Paul hüstelnd. »Was … äh … wollt ihr …? Alle noch mal das gleiche? Also, ich geh dann mal.«
    Hastig zog er sich an die Bar zurück. Seine Schuhe quietschten beim Gehen. James und Liz starrten sich immer noch gegenseitig an.
    »Ich muß mal aufs Klo«, sagte ich und stand auf. »Oder nein. Ich geh später.« Ich setzte mich wieder hin und versuchte, mein fieses Lächeln zurückzuhalten. James warf mir einen wütenden Blick zu. Ich zuckte mit den Schultern und gab vor, nicht zu wissen, worauf er hinauswollte. Als ich meinen Kopf zur Seite wandte, bemerkte ich, daß auch Liz versuchte, ein Lächeln zurückzuhalten. Allerdings mit weniger Erfolg als ich. Ein blödes Grinsen spielte auf ihren Lippen, und es galt nicht James, sondern mir.
    »Für wie lange fährst du in die Schweiz, Dave?« fragte sie.
    »Ach, nur solange wie die Skisaison dauert. Vier Monate ungefähr.«
    »Na ja, wenn unser Dr. Livingstone hier die Fliege macht, wird mein Sozialleben ziemlich vom Austrocknen bedroht sein. Rufst du mich mal an, wenn du wieder hier bist?«
    Tunnelblick. Pulsrasen. Kalter Schweiß. »Ahm … äh … ja. Aber … äh … ich habe deine …«
    »Hier ist meine Nummer.« Sie zog einen Kuli aus der Tasche und schrieb etwas auf einen Bierdeckel.
    »Danke.« Ich lächelte sie an, und sie zwinkerte zurück. Ich drehte mich lächelnd zu James um, aber er schien die Symptome von Fieber im fortgeschrittenen Stadium entwickelt zu haben und konnte mich nicht einmal ansehen. Ich weiß, daß man über seine Freunde nicht so denken sollte, aber schon seit Jahren war uns beiden klar gewesen, daß James stets das bessere Ende für sich hatte. Es war nichts Bestimmtes, nur eine Ansammlung von Kleinigkeiten, die ihn mir überlegen machte. Nun, mit dem Bierdeckel in meiner Gesäßtasche, fühlte ich mich zum ersten Mal, seit wir fünfzehn waren, so, als hätte ich ihn ausgestochen.
     
    Ich schwebte vom Pub nach Hause, und meine Finger betasteten alle paar Sekunden die quadratische und an den Ecken gerundete kleine Ausbeulung auf der Rückseite meiner Jeans.

Also
doch 'ne
Einladung
    Ich hatte die erste Hälfte meines freien Jahres damit zugebracht, beim Sock Shop in King's Cross zu arbeiten. Wenn man in einem Klamottenladen arbeitet, hat man eigentlich den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als durch die Gegend zu laufen und wieder zusammenzulegen, was die Kunden auseinandergefaltet haben. Das macht den Sock Shop allerdings zu einem besonders merkwürdigen Arbeitsplatz, weil du Socken ja nicht zusammenfalten kannst. Dein Leben wird so bedeutungslos, daß du anfängst, dich zu fragen, ob du eigentlich noch lebst. Und irgendwann fragst du dich sogar, ob es so was wie Socken wirklich gibt.
    Die meisten meiner Freunde hatten ähnliche (wenn auch in der Regel weniger surreale) Jobs hinter sich gebracht und verjubelten nun ihr Geld auf Reisen nach Indien, Südostasien oder Australien. Alle schienen jene großartige Vorstellung entwickelt zu haben, daß sie sich selbst finden mußten – was immer das hieß –, indem sie eine Reise in irgendein bettelarmes, verlaustes Loch unternahmen, das in irgendwelchen malariaverseuchten Bergen am anderen Ende der Welt lag. Allgemein herrschte der Glaube vor, daß ein langer und unangenehmer Urlaub für die eigene Entwicklung in menschlicher Hinsicht von entscheidender Bedeutung sei.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Pläne, was ich machen wollte, wenn ich wieder aus der Schweiz zurückkam. Aber ich war mir ziemlich sicher, daß das letzte, was ich tun würde, wäre, irgendwohin zu gehen, wo es dreckig war. Zum einen hasse ich es, krank zu sein, und ich sah einfach keinen Sinn darin, mich freiwillig irgendwohin zu begeben, wo ich mir todsicher die Ruhr einfangen

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