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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Sutcliffe
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bewegen, mit mir zu reden. Als mir wieder einfiel, daß ich aussah wie ein Moonie, dämpfte ich mein Lächeln einen Tick, aber die Leute gingen mir immer noch aus dem Weg.
    Entmutigt ging ich ins bestbesuchte Restaurant, das ich finden konnte, um etwas zu Mittag zu essen. Ich setzte mich neben einen Mann, der so aussah, als sei er einsam, lächelte ihn an und sagte hallo. Er nahm sein Tablett und setzte sich an einen anderen Tisch, wobei er ein kleines bißchen verängstigt wirkte.
    Dies stellte einen neuen Tiefpunkt dar. Von anderen Reisenden allein gelassen zu werden war eine Sache – aber von Indern gemieden zu werden, das war das letzte. Wieder im Hotel, fing ich vor lauter Verzweiflung mit dem Jungen, der fürs Bodenkehren zuständig war, ein Gespräch an. Er rannte fort.
    Das einzige, was mir noch übrigblieb, war, eine Postkarte zu schreiben.
     
    Liebe Mum, lieber Dad!
    Ich bin jetzt in Bangalore – der modernen, industrialisierten Hauptstadt von Karnataka. Die Stadt ist relativ angenehm und wirkt wohlhabender als die meisten anderen Städte, die ich bisher besucht habe. Allerdings habe ich bisher noch nicht viel davon zu sehen bekommen, weil ich so ziemlich die ganze letzte Woche total krank war und mein Hotelzimmer nicht verlassen konnte. Ich kann mich gerade wieder einigermaßen auf den Beinen halten und habe heute meinen ersten kleineren Ausflug unternommen. Offenbar habe ich ziemlich viel Gewicht verloren, aber ich bin sicher, daß ich mit der Zeit wieder zulege. Ich vermisse Euch immer noch und fühle mich schrecklich einsam hier, habe aber inzwischen meine Vorstellungen vom Reisen geändert und beschlossen, mich bis zum Ende meines Aufenthalts allein durchzuschlagen. Beim Reisen sollte es nicht um andere Reisende gehen – sondern um Indien und die Inder. Wenn man sich in diesem Land finden will, muß man sich zuerst verlieren. Das wird mein nächster Schritt sein. Ich lerne wirklich eine ganze Menge hier.
    Liebe Grüße,
    Dave
     
    Nachdem ich die Postkarte geschrieben hatte, ging mir auf, daß, selbst wenn sich sonst niemand mit mir unterhalten wollte, der Mann an der Rezeption mit mir würde reden müssen. Es war verdammt noch mal sein Job. Ich war schließlich zahlender Gast in seinem Hotel. Wenn ich ihn an seinem Rezeptionstresen stellte, konnte er auch nicht weglaufen, und ich würde auf jeden Fall eine kleine Dosis Gespräch abzocken können.
    Nachdem ich abgewartet hatte, bis er seinen Platz hinterm Tresen eingenommen hatte, setzte ich zu einer überraschenden Attacke an.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Hallo, Sir«, erwiderte er.
    Mir fiel nichts mehr ein.
    »Alles in Ordnung?« fragte er.
    »Danke, prima, gut.«
    Mir fiel immer noch nichts Neues ein. Dann kam mir ein Gedanke.
    »Ganz schön heiß heute.«
    »Ja. Sehr heiß. Nicht so heiß wie sonst natürlich. Aber schon ziemlich heiß.«
    Ich wollte gerade aufgeben, als ein Inder zur Tür hereinkam. Um Kopf und Nacken hatte er einen Baumwollschal gewickelt, der auch sein Gesicht zur Hälfte bedeckte. Er ging zur Rezeption und fragte mit schwerem Südlondoner Akzent nach einem Zimmer. Sowie ich seine Stimme hörte, erkannte ich ihn wieder.
    »Ranj!« schrie ich.
    Er wirbelte herum und betrachtete mich argwöhnisch. Nach ein paar Sekunden sah ich, daß es ihm dämmerte. Er riß sich den Schal vom Kopf.
    »Dave! Bist du's?«
    »Na klar bin ich das.«
    »Scheiße, was ist denn mit dir passiert?«
    »Ich bin hier hängengeblieben. Bin 'n bißchen krank geworden.«
    »Du siehst total scheiße aus. Du siehst echt total scheiße aus.«
    »Danke, Kumpel.«
    »Ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Alter! – Hast du dich mal gewogen oder so?«
    »Nö.«
    »Warst du mal beim Arzt?«
    »Nö, brauch ich jetzt nicht mehr. Bin ja auf dem Weg der Besserung.«
    »Ey Scheiße Mann, Alter, das ist gut zu hören. Weil, du siehst echt scheiße aus.«
    »Ich sag's dir. Ich bin froh, dich wiederzusehen.«
    »Ganz meinerseits, Alter. Ganz meinerseits. Wo hast du denn … wie heißt sie noch mal? Die Schnecke.«
    »Wir haben uns getrennt. Unüberbrückbare Differenzen und so, du weißt schon.«
    »Sie hat dich also verlassen.«
    »Sozusagen. Bei uns ist sowieso irgendwie von Anfang an was schiefgelaufen, ich kann mich gar nicht mehr richtig erinnern, aber am Ende konnten wir uns einfach auf den Tod nicht mehr ausstehen.«
    »Das ist übel, Alter. Aber ich sag's dir, das ist es eben, was Indien mit dir anstellt.«
    »In England sind wir immer prima miteinander

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