Meine Freundin, der Guru und ich
ausgekommen.«
»In England bin ich auch immer mit meiner Familie zurechtgekommen. Jetzt wollen sie mich umbringen.«
»Du bist schon wieder weggerannt?«
»Ja. Ich bin eben erst aus Delhi reingeflogen. Ich wollte runter nach Trivandrum, aber es gab keine Flüge mehr, also bin ich hierher gekommen.«
»Die werden ziemlich angenervt sein. Mit deinem Bruder hab ich ja schon Bekanntschaft gemacht.«
»Und diesmal ist es noch schlimmer, weil …« – er senkte seine Stimme und sah sich im Raum um – »… ich einen ganzen Schwung Kreditkarten und Bargeld mitgenommen habe, bevor ich abgehauen bin.«
»Von wem?«
»Onkels und so. Die sind mir einfach ein bißchen auf die Eier gegangen.«
»Echt wahr?«
»Ja.«
»Du hast deine eigene Familie beklaut?«
»Ja, ich weiß, ich weiß. Im nachhinein tut's mir auch ein bißchen leid. Ich hab beschlossen, alles so schnell wie möglich auszugeben und dann zurückzugehen und mich zu entschuldigen.«
»Das ist echt sehr nobel von dir.«
»Meinst du?«
»Nein, eigentlich nicht. Hör mal – willst du dir mit mir das Zimmer teilen? Es ist eh ein Doppelzimmer, und wenn wir halbe-halbe machen, wird's billiger. Ich bin froh, wenn ich ein bißchen Gesellschaft hab.«
»Scheiß auf billiger. Ich leb hier auf Abruf, bevor sie mich an den Eiern aufhängen. Ich bin in dieses kleine Scheißloch bloß gekommen, weil es das erste im BUCH war. Ich bleib hier eine Nacht, und dann nix wie weg nach Kovalam.«
»Was gibt's denn in Kovalam?«
»Schnecken, Alter. Schnecken auf Pauschalurlaub. Es ist wie in Goa, nur weniger Hippies, und die Saison fängt gerade an. Es ist nämlich ganz im Süden, und da ist der Monsun fast schon vorbei. Ich miet mich in so 'nem schnieken Hotel ein und leg so viele weiße Mädchen flach, wie ich kann, bevor es zu spät ist.«
»Zu spät für was?«
»Ach, das ist es doch, womit die ganze Scheiße angefangen hat. Mein Vater versucht, mich mit dieser verklemmten Jungfernschlampe zu verkuppeln, bloß weil ihrem Vater die Börse in Bombay gehört oder irgend so 'ne Kacke. Er will mich nicht eher nach Hause lassen, als bis ich ja gesagt habe.«
»Meine Fresse! Was willst du jetzt tun?«
»Ich hab schon ja gesagt. Da ist nix zu machen. Ich hab ja gesagt und mich dann verpißt.«
»Mit dem Geld von deinem Onkel.«
»Korrekt. Das ist das mindeste, was ich verdient hab. Hör mal – willst du mitkommen? Ich zahl dir das Zimmer. Dann können wir 'n bißchen die Sau rauslassen. Wenn du dir ein paar Klamotten kaufst, was Vernünftiges ißt und dich rasierst, dann siehst du bestimmt ganz vorzeigbar aus. Wir könnten's ziemlich gut haben, ich und du. Mein Cousin hat mir von diesem Eins-a-Hotel erzählt, wo die ganzen willigen Frauen absteigen. Was meinst du?«
»Was?«
»Willst du mitkommen?«
»Ist das dein Ernst?«
»Klar ist das mein Ernst. Was ist jetzt? Bist du dabei?«
»Äh … warum eigentlich nicht? Klingt ganz lustig.«
»Cool. Ich schick 'nen Boy los, der uns die Zugfahrkarten besorgt, du gehst dich rasieren, und wir treffen uns später hier wieder.«
»Alles klar. Teilst du dir dann mit mir das Zimmer?«
»Danke nein. Krankenzimmer sind ehrlich gesagt nicht so mein Ding.«
Golf?
Die Fahrt nach Trivandrum dauerte eine halbe Ewigkeit, aber Ranj kaufte ein paar Wassermelonen, einen Sack Mangos, mehrere Stauden Bananen, ein Kilo gemischte Nüsse und einen endlosen Vorrat Bombay Mix, was uns in unserem Bemühen, die Zeit totzuschlagen, ein gutes Stück weiterbrachte. Wir saßen gemeinsam mit einer Familie im Abteil, die sogar noch mehr zu essen dabeihatte als Ranj, und dadurch, daß immer wieder die verschiedensten Fressalien die Runde machten, ähnelte die ganze Sache eher einem Bankett als einer Reise. Von der Familie sprach niemand Englisch, und Ranj konnte sich aus irgendwelchen Gründen, die mit ihrem Dialekt zu tun hatten, auch nicht mit ihnen unterhalten, aber das schien sie nicht davon abzuhalten, uns Unmengen an Essen anzubieten.
Beim Obst mußte ich mich aus naheliegenden Gründen zurückhalten, aber es gab darüber hinaus noch jede Menge anderer Sachen zu essen, die ich zumeist mit dem größten Vergnügen in mich hineinstopfte. Die schiere Erleichterung darüber, wieder in Gesellschaft unterwegs zu sein, hatte für eine plötzliche und vollständige Rückkehr meines Appetits gesorgt.
Zum ersten Mal seit Manali war ich so richtig glücklich.
Von Trivandrum aus fuhren wir mit dem Bus weiter nach Kovalam. Unterwegs begann Ranj laut
Weitere Kostenlose Bücher