Meine Freundin Jennie
tüchtig Schaum. Sie war jedoch nirgends mehr zu sehen, er konnte nicht einmal die Stelle ausmachen wo sie untergegangen war. Er hätte sie wohl tatsächlich für immer verloren, wäre nicht gerade in diesem Augenblick über dem Wasserspiegel ihre Schwanzspitze erschienen, wie eine Boje, die ihm die Richtung wies.
In der nächsten Sekunde tauchte er, mehr Mensch als Katze, unter, riß die Augen weit auf, packte Jennie mit den Zähnen behutsam am Genick und zog sie schnell mit sich wieder an die Oberfläche.
Indem er jetzt ganz langsam schwamm, das heißt, nur leicht mit den Pfoten paddelte, gelang es ihm, sowohl seinen eigenen als auch Jennies Kopf über Wasser zu halten, so völlig entkräftet und offensichtlich bewußtlos sie auch war; aber er wußte, es konnte nun keine Rede mehr davon sein, daß sie die zwei, drei Meilen bis zur Küste schwammen. Jetzt kam es nur noch darauf an, wie lange seine Kraft noch ausreichen würde, um sie beide über Wasser zu halten. Denn jetzt spürte er erst, daß er sich bei seinem Kampf mit der Riesenratte viele Verletzungen zugezogen haben mußte und ihn auch der häufige Anprall gegen die harten Kistenwände sehr geschwächt hatte. Zum erstenmal kamen ihm ernstliche Zweifel, ob er es fertigbringen würde, Jennie und sich zu retten, und einen bösen Augenblick lang fühlte er sich versucht, aufzugeben, und fragte sich, ob es nicht das Einfachste sei, mit Jennie zusammen für immer in den Fluten zu versinken, oder ob es sich noch lohnte, weiterzuschwimmen und die Wahrheit des alten Sprichworts zu erproben.
Bisher hatte Peter sich noch kein einziges Mal nach der Gräfin von Greenock umgeschaut, denn das Schiff in der Ferne verschwinden zu sehen, wie es Jennie und ihn grausam ihrem Schicksal überließ, wäre ein zu qualvoller Anblick gewesen, als daß er sich dem hätte aussetzen wollen. In dem Bewußtsein jedoch, daß es, nach der Anstrengung zu schließen, die es ihn kostete, Jennies Kopf über Wasser zu halten, nur noch eine Frage von Minuten war, bis auch seine letzten Kräfte versagen würden, begann er nun im Kreis herumzuschwimmen und erlaubte sich noch einen verzweifelten Blick, um festzustellen, wie weit das Schiff schon davongedampft sein mochte, seit er von der Reling ins Meer gesprungen war.
Zu seiner größten Überraschung und Freude sah er nun aber die Gräfin keine hundert Meter weit nahezu unbeweglich auf dem Wasser liegen, während aus ihrem Schornstein eine schwarze Rauchsäule zum Himmel emporstieg. Wie sie da mit der Breitseite vor ihm lag, so daß ihr Rumpf wie eine Mauer aus dem glatten Wasserspiegel aufragte, sah sie noch, größer aus als die Queen Mary, die er auf so vielen Bildern gesehen hatte, und nochmal so schön!
Und noch viel viel schöner war der Anblick des Rettungsbootes mit den acht Matrosen, die sich mächtig in die Riemen legten, mit Angus, dem Boots’n, als Kommandanten und Mr. Strachan hoch oben im Bug, denn das Boot befand sich bereits genau in der Mitte zwischen dem rosigen Rumpf des Dampfers und ihm und Jennie. Gewiß, mit den Ruderkünsten war kein Staat zu machen, denn keine zwei Blatt pullten im gleichen Rhythmus oder tauchten zur selben Zeit ins Wasser oder daraus hervor; das Rettungsboot schaukelte bedenklich auf der von keinem Lüftchen bewegten See, so daß Angus und Mr. Strachan jeden Augenblick über Bord zu fallen drohten, und es sah wahrhaftig nicht viel anders aus wie ein betrunkenes Stachelschwein, das auf dem Glasdach eines Treibhauses entlangtorkelte. Trotzdem kam das Boot vorwärts und lieferte also einen überzeugenden Beweis dafür, daß das Wunder wirklich geschehen war: Die Gräfin von Greenock hatte tatsächlich beigedreht, ihre Fahrt gestoppt und ein Boot ausgesetzt, und man war im Begriff, Jennie und ihn zu retten.
Kurz darauf tauchte das Rettungsboot, angefeuert von den Zurufen des Bootsmannes und den Anweisungen Mr. Strachans, längsseits von Peter auf. Mr. Strachan bewaffnete sich mit einer langen Stange, an deren Ende ein Fangnetz befestigt war. Dann beugte er sich weit über den Bootsrand, stieß das Ende der Stange genau an der Stelle, wo Peter mit Jennie umherschwamm, tief ins Wasser, und mit dem triumphierenden Ausruf: «Ha! Ich hab sie!» fischte er sie beide aus dem Meer und beförderte sie ins Boot, wo Peter, der sich noch schwach bewegte, sogleich versuchte, sich aus den Maschen des Netzes zu befreien, und rein aus Erleichterung und Dankbarkeit am liebsten
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