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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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von zerschellendem Glas und Steingut erklang, das noch eine ganze Weile zu hören war, oder vielmehr genau vier und eine dreiviertel Minute lang, wie Mr. Box durch einen Blick auf seine altmodische Porzellanuhr feststellte, die er an einem Lederriemen in seiner Hosentasche trug. Da Mealie an diesem Tag die Teller und Schüsseln vom Mittagessen noch nicht abgeräumt und auch das Frühstücksgeschirr noch stehengelassen hatte, verfügte der Kapitän über mehr Munition als sonst, was ihm sehr zupaß kam, denn so zornig wie heute war er bisher noch nie gewesen.
    Die Maschinen der Gräfin von Greenock erzitterten, rumpelten und stampften, die Schiffsschraube brachte das Kielwasser zum Schäumen, und die schmutzige schwarze Rauchsäule, die schnurgerade aus dem Schornstein aufstieg, verbreiterte sich in der Luft wieder zu einem Schirm. Von neuem richtete der alte Frachter seinen stumpfen Bug nach Worden und nahm wieder Kurs auf das Ziel seiner Reiseroute.
    Jennies reglosen Körper noch immer unter den Arm geklemmt, begab sich Mr. Strachan in seine Kajüte, und Peter folgte ihm auf den Fersen, bereit, ihm sobald er nur Miene machen würde, Jennie über Bord zu werfen, sofort auf den Rücken zu springen und ihn ins Genick zu beißen, wie er es bei der Ratte getan hatte. Der Offizier war jedoch so durcheinander, daß er erstmal Zeit und Ruhe brauchte, um alles zu überdenken, und er dachte überhaupt nicht daran, sich dieses sichtbaren Beweises für sein einzigartiges Erlebnis zu entledigen, was der Käpten auch sagen mochte — denn schließlich hatte der alte Sourlies ihn ja soeben Knall und fall entlassen, und da war es doch ohnehin einerlei, was er tat.
    So betrat er also seine Kajüte und warf, während Peter ihm nach durch die Tür schlüpfte, Jennie auf eine Matte in der Ecke und setzte sich seinen Schreibtisch, um nachzudenken. Es wollte ihm jedoch nicht recht gelingen, denn die Ungerechtigkeit, die in, dem Ganzen lag, Kapitän Sourlies’ Widerborstigkeit und die Tatsache, daß er so kurzerhand abgemustert worden war, überwältigten ihn so stark, daß er keinen klaren Gedanken zu fassen vermochte. Und weil er jung war und solche Dinge dann sehr schwer wiegen, legte er den Kopf auf die Arme und überließ sich dem zweifelhaften Vergnügen, aufrichtig darüber betrübt zu sein, daß die Dinge eine so unglückliche Wendung genommen hatten.
    Peter aber betrauerte seine liebe gute Freundin, und die Tränen, die ihm aus den Augen fielen, während er sich über Jennie beugte und sah, wie sie, die einst so munter und lebhaft, so unternehmend und abenteuerlustig gewesen war, jetzt so still und unansehnlich dalag, waren ebenso salzig wie das Meerwasser, das ihr das Fell zusammenklebte.
    Und um seiner dahingeschiedenen Freundin einen letzten Liebesdienst zu erweisen, beschloß Peter, Jennie zu waschen.
    Er fing bei ihrem Kopf und ihrer Nasenspitze an, erst ganz behutsam, dann immer gründlicher, und während er ihr so mit seiner rauhen Zunge unermüdlich über das nasse Fell strich, gedachte er ihrer in Liebe, Sehnsucht und tiefer Betrübnis und wurde sich mehr und mehr der schrecklichen Einsamkeit bewußt, die einen überkommt, wenn man jemanden Verloren hat, der einem sehr nahestand. Schon vermißte und entbehrte er Jennie weit mehr, als er es für möglich gehalten hatte, solange sie »och am Leben war.
    Das Salz auf ihrem Fell brannte auf seiner Zunge, und die fortwährende Bewegung seines Kopfes machte ihn nach all den anderen Anstrengungen dieses Tages schließlich so müde, daß er kaum noch die Augen aufzuhalten vermochte. Am liebsten hätte er sich irgendwohin verkrochen und wie ein Klotz geschlafen, aber der Rhythmus des Waschens, dieses ewige Hin-und-Her-Streichen der Zunge, nahm ihn ganz gefangen — beinahe so, als glaubte er, Jennie dadurch wieder zum Leben erwecken zu können.
    Es wurde bereits dunkel, und in den anderen Kajüten des plumpen Frachtdampfers ging das Licht an, doch Mr. Strachan blieb an seinem Tisch sitzen, den Kopf in den Armen vergraben, ohne sich zu rühren, und Peter hörte nicht auf, Jennie zu waschen.
    Er massierte ihr die Schultern und den Hals und die schmale, magere Brust, unter der das reglose Herz lag, ihre langen Flanken mit den sich deutlich abzeichnenden Rippen, das weiße weiche Maul, die Augen, die Ohren und den Hinterkopf, Strich für Strich, in einem einschläfernden Rhythmus, den er nun, selbst wenn er gewollt hätte, nicht mehr hätte unterbrechen können.
    Er leckte und

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