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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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sich auf Jennies Geheiß mit soviel Ausdauer und Disziplin befleißigt hatte.
    Sein Sprung, der offensichtlich direkt auf den Feind abzielte, schien der reine Wahnsinn zu sein, und die Ratte richtete sich auch sofort mit weit vorgestrecktem Kopf auf ihren Hinterbeinen auf und holte voller Tücke zum Schlag aus. Aber nicht umsonst hatte Peter den Trick erlernt und geübt, in einem Satz vom Fußboden hochzuspringen und sich mitten im Sprung von einer glatten Wand so abzustoßen, daß er noch mehr Schwung bekam. Nur um den Bruchteil einer Sekunde schneller als die Ratte berührten seine Vorder- und Hinterpfoten, ohne auszugleiten, einen Augenblick lang die Seitenwand von einem der Kistenstapel und Arbeiten ihn so hoch in die Luft, daß die aufblitzenden Schneidezähne des Nagetiers wie die doppelt geschwungene Klinge eines Krummschwerts zwischen seinen Beinen hindurchschwirrten und ihn um die sprichwörtliche Haaresbreite verfehlten.
    Der zusätzliche Aufschwung verlieh Peter jetzt die erforderliche Geschwindigkeit und die nötige Energie, nicht nur eine halbe, sondern eine ganze Drehung zu machen und folglich auf dem Rücken der Ratte zu landen und ihr seine Zähne tief in den Nackenwirbel zwischen den Ohren zu stoßen.
    Einen schrecklichen Augenblick lang befürchtete Peter, daß er trotzdem noch den kürzeren ziehen könne, denn die Ratte bäumte sich so heftig auf und schlug so verzweifelt um sich, daß Peter immer wieder gegen die Kisten prallte, bis ihm so übel und schwindlig wurde und er sich so unsicher werden fühlte, daß er nicht mehr wußte, ob er das Biest noch länger festzuhalten vermochte. Und wenn er es losließ, würde das große Tier sich auf ihn stürzen und ihn in Fetzen zerreißen...
    Mit letzter Kraft stieß er seine Zähne noch tiefer hinein und biß ganz fest zu — einmal, und noch einmal und noch einmal, und beim dritten Mal spürte er, wie die Ratte jäh erschlaffte. Das Schwanken und Stoßen hörte auf. Die Ratte schlug noch zweimal mit den Hinterbeinen aus, aber dann rührte sie sich nicht mehr. Peter lockerte seine verkrampften Kiefer, setzte sich rasch hin und säuberte sich etwas. Er war arg mitgenommen und brauchte einige Zeit, bis er seine Fassung wiedererlangte.
    Nichtsdestoweniger schlug es gerade sechs Glas, als er auf dem Achterdeck angetrottet kam und die tote Ratte im Maul vor sich her trug oder vielmehr schleifte, denn sie war so lang, daß ihr Kopf und ihr Schwanz bis auf den Boden herunterhingen. Und sie war so schwer, daß er sie kaum noch hochzuhalten vermochte. Aber natürlich gelang es ihm doch, einfach, weil er sie Jennie und überhaupt jedem, der gerade in der Nähe war, unbedingt zeigen mußte.
    Es war Mr. Box, der ihn zuerst erblickte und laut ausrief: «Mich laust Affe! Schaut euch das an! Der Weiße hat einen Elefanten zur Strecke gebracht!»
    Mr. Strachan schrie ebenfalls laut auf, denn Peter strich so nahe an ihm vorbei, daß die Ratte den Fuß des Ersten Offiziers berührte und dieser erschrocken hochsprang, als habe ihn etwas gestochen. Das Geschrei lockte ein paar Leichtmatrosen herbei, die sofort angelaufen kamen, um zu sehen, was da los war. Auch Jennie wurde dadurch aufgeweckt.
    Sie hatte gar nicht einschlafen wollen, aber die ruhige See und die warme Nachmittagssonne hatten sie wider ihren Willen eingelullt, so daß sie regelrecht eingenickt war. Nun aber gellten ihr diese Schreie wie Warnsignale in die Ohren, bei denen es ihr eiskalt über den Rücken lief Und als sie die Augen aufschlug, fiel ihr Blick auf Peter und seine Beute und in der ersten Verwirrung war sie sich nicht klar darüber, ob die Ratte Peter im Maul trug oder umgekehrt, ob das Biest lebte oder tot war und ob Peter sich nicht noch seiner Haut wehren mußte. Das Geräusch eiliger Schritte verstärkte noch ihre Verwirrung, und bei dem Gedanken, daß Peter Gefahr drohe, schrak sie zusammen und wich unwillkürlich zurück.
    Doch da war nichts mehr, wohin sie von ihrem unsicheren Platz auf der Reling hätte zurückweichen können, und mit einem durchdringen, den Schrei, alle vier Pfoten weit von sich gestreckt, fiel sie, wobei sie sich in der Luft einmal überschlug, ins Meer und wurde mit dem weißen Schaum des von der Schiffsschraube aufgewirbelten Kielwassers davongetragen.
    «Katze über Bord!» rief ein Jungmatrose und lachte.
    «Leb wohl, Pussie», sagte Mr. Box. «Sie hat’s selber herausgefordert, so hoch, wie sie da oben immer gethront hat!»
    Mr. Strachan starrte mit offenem Mund

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