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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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und das war an einem Sterbebett. Auch unser Dorf war keine kussfreudige Gemeinschaft. Alles Herzen und Küssen endete mit der Brautwerbung – zusammen mit dem sterbenslangweiligen Klavierspiel jener Tage.
    Sie hatte das freiherzige Lachen eines Mädchens. Es erklang nur selten, aber wenn es einem zu Ohren kam, war es anregend wie Musik. Zum letzten Mal hörte ich es, als sie schon über ein Jahr in ihrem Krankenbett lag, und damals machte ich mir eine Notiz darüber – eine Notiz, die nicht wiederholt werden soll.
    Morgen ist unser sechsunddreißigster Hochzeitstag. Wir wurden im Hause ihres Vaters in Elmira, New York, getraut, und tags darauf fuhren wir mit der ganzen Familie Langdon und den Beechers und den Twichells, die die Trauung feierlich vollzogen hatten, in einem Sonderzug nach Buffalo. In Buffalo, wo ich als Mitherausgeber und Miteigentümer des
Buffalo Express
arbeiten sollte, wollten wir uns niederlassen. Ich wusste nichts von Buffalo, hatte abermeine dortigen Haushaltsvorkehrungen durch einen Freund treffen lassen. Ich hatte ihn brieflich angewiesen, eine Pension von so ehrbarem Charakter zu suchen, wie mein geringes Gehalt es erlaubte. Gegen neun Uhr wurden wir am Bahnhof von Buffalo abgeholt, auf mehrere Pferdeschlitten gesetzt und, wie mir schien, durch ganz Amerika gezogen – denn wir bogen anscheinend um sämtliche Ecken der Stadt und folgten sämtlichen Straßen, die es gab –, und ich schalt meinen Freund unverhohlen und bedachte ihn mit sehr unschmeichelhaften Worten, weil er offensichtlich eine Pension ohne festen Standort ausgesucht hatte. Aber es gab eine Verschwörung – und meine Braut wusste Bescheid, mich dagegen hatte man in Unkenntnis gelassen. Ihr Vater Jervis Langdon hatte uns in der eleganten Straße Delaware Avenue ein neues Haus gekauft und eingerichtet und mit Köchin, Hausmädchen und einem lebhaften und mitreißenden jungen Kutscher, einem Iren namens Patrick McAleer, ausgestattet – und wir wurden durch die ganze Stadt gezogen, damit eine Schlittenladung Menschen Zeit hatte, zum Haus zu fahren und sicherzustellen, dass auch überall das Gas brannte und ein warmes Abendessen für die Menge bereitet war. Schließlich kamen wir an, und als ich das Märchenschloss betrat, erreichte meine Empörung die Hochwassermarke, und ohne an mich zu halten, sagte ich meinem Freund die Meinung, der so dumm gewesen sei, uns in einer Pension unterzubringen, die für mich völlig unerschwinglich wäre. Dann holte Mr. Langdon ein hübsches Kästchen herbei, öffnete es und entnahm ihm die Urkunde für das Haus. So endete die Komödie äußerst angenehm, und wir setzten uns zu Tisch.
    Die Gesellschaft brach gegen Mitternacht auf und ließ uns allein in unserer neuen Unterkunft zurück. Dann kam Ellen, die Köchin, herein, um die Bestellungen für die Markteinkäufe am folgenden Morgen entgegenzunehmen – und beide wussten wir nicht, ob Beefsteak fass- oder meterweise verkauft wurde. Wir gestanden unsere Unwissenheit, an der Ellen ihre helle irische Freude hatte. Patrick McAleer, der lebhafte junge Ire, kam herein, um Instruktionen für den nächsten Tag zu erhalten – und das war das erste Mal, dass wir ihn zu Gesicht bekamen.
    Sechsunddreißig Jahre sind vergangen. Und heute Morgen kam dieser Brief von Twichell aus Hartford:
     
    Hartford 31. Jan.
    Lieber Mark,
    es tut mir leid, dass ich sehr schlechte Nachrichten über Patrick habe. Ich sah ihn am Montag. Er sah ziemlich gut aus und war fröhlicher Stimmung. Er erzählte mir, er erhole sich rasch von einer Operation, der er sich am vergangenen Mittwoch unterzogen habe, und werde bald entlassen. Doch eine Krankenschwester, die mir folgte, als ich das Zimmer verließ, sagte mir, der arme Kerl täusche sich. Die Operation habe lediglich offenbart, dass man nichts mehr für ihn tun könne.
    Gestern fragte ich den Chirurgen (Johnson, der uns gegenüber wohnt), ob dem so sei. Er bejahte; es handele sich um Leberkrebs und die Chirurgie könne nichts dagegen ausrichten; der Fall sei ganz und gar hoffnungslos; das Ende nicht mehr viele Wochen hin. Ein bedauernswerter Fall, wirklich! Der arme Patrick! Sein Gesicht hellte sich auf, als er mich sah. Als Erstes erzählte er mir, er habe gerade von Jean gehört. Seine Frau und sein Sohn waren bei ihm. Ob sie die Wahrheit ahnen, weiß ich nicht. Ich bezweifle, dass seine Frau es ahnt; aber sein Sohn wirkte sehr gefasst. Vielleicht hat man es nur ihm gesagt.
    Herzlich
    Joe
     
    Jean hatte Patricks Fall per

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