Meine geheime Autobiographie - Textedition
paar Tage brauchte, um auch dieses zu revidieren. Ich war kaum mit
ihm
fertig, als ich James G. Batterson begegnete. Batterson war Präsident der großen Travelers Insurance Company. Er war ein feiner Mann; ein starker Mann; ein wertvoller Staatsbürger. In seinen Angriffen auf Blaine war er genauso heftig, wie der Geistliche es gewesen war – doch noch vor Ablauf von zwei Wochen führte er bei einer republikanischen Parteiversammlung den Vorsitz, bei der die Kandidaten bestätigt werden sollten; und hätte ihn ein Fremder über Blaine und seine Vollkommenheiten reden hören, so hätte er vermutet,dass die Republikanische Partei das Glück gehabt hatte, sich einen Erzengel als Kandidaten zu sichern.
Die Zeit verging. Der Wahltag stand kurz bevor. In einer eisigen Nacht stapften Twichell, Reverend Francis Goodwin und ich, einem Wintersturm trotzend, durch die menschenleeren Straßen, nach einer Séance unseres Monday Evening Club und nach einer Debatte beim Abendessen über die politische Situation, in deren Verlauf sich – zur Verwunderung und Empörung aller einschließlich der Damen – herausgestellt hatte, dass drei Verräter anwesend waren. Dass Goodwin, Twichell und ich unsere Stimmen in der Tasche lassen wollten, statt sie für den Erzengel abzugeben. Irgendwann auf unserem Heimweg hatte Goodwin einen glücklichen Einfall und trug ihn vor. Er sagte:
»Warum enthalten wir Blaine diese drei Stimmen vor? Geradeheraus gesagt, weil wir alles in unserer Macht Stehende tun wollen, um Blaine eine Niederlage beizubringen. Nun denn, wir haben drei Stimmen gegen Blaine. Das Vernünftigste wäre, wir würden sechs Stimmen gegen ihn abgeben, indem wir unsere drei Stimmen Cleveland geben.«
Selbst Twichell und ich konnten sehen, dass seine Argumentation Hand und Fuß hatte, und wir sagten:
»So sollte man verfahren, und das werden wir auch.«
Am Wahltag gingen wir wählen und führten unseren teuflischen Plan aus. Zu jener Zeit war die Stimmabgabe öffentlich. Jeder Zuschauer konnte sehen, wie jemand wählte – und sofort wurde unser Verbrechen in der gesamten Gemeinschaft bekannt. Unser doppeltes Verbrechen – in den Augen der Gemeinschaft. Blaine eine Stimme vorzuenthalten war schlimm genug, aber den Frevel dadurch noch zu vermehren, dass man tatsächlich den demokratischen Kandidaten wählte, war verbrecherisch in einem Maße, für das sich im Wörterbuch kein angemessener Ausdruck fand.
Von diesem Tag an, und so sollte es eine gute Weile bleiben, war Twichell das Leben eine erhebliche Last. Seine Gemeinde war, um einen gebräuchlichen Ausdruck zu verwenden, »sauer« auf ihn, und er fand wenig Vergnügen an der Ausübung seines geistlichen Amtes – außer wenn er hin und wieder Linderung für die Kränkungen erfuhr, weil er das Privileg hatte, einigeseiner Schäfchen begraben zu dürfen. Ich glaube, es wäre eine Wohltat und ein Gewinn für die Gemeinschaft gewesen, alle miteinander zu begraben. Falls jedoch Twichell derartige Gefühle hegte, war er von Natur aus zu nachsichtig und zu gütig, um sie zu offenbaren. Mir gegenüber erwähnte er dergleichen nie, und ich glaube, wenn er es irgendwem gezeigt hätte, hätte ich derjenige sein müssen.
Twichell hatte seinem Ansehen in seiner Gemeinde großen Schaden zugefügt. Er musste eine junge Familie ernähren. Die Familie war schon groß, und sie wuchs. Jedes Jahr wurde sie eine immer schwerere Bürde – sein Gehalt hingegen blieb das gleiche. Es war kaum mehr in der Lage, mit der Belastung durch den Haushalt Schritt zu halten, und falls jemals Aussicht auf eine Gehaltserhöhung bestanden hatte, so war sie jetzt dahin. Es war kein nennenswertes Gehalt. Viertausend Dollar. Er hatte nicht mehr verlangt, und der Gemeinde war es nicht in den Sinn gekommen, ihm mehr zu bieten. Insofern war sein Votum für Cleveland eindeutig eine Katastrophe für ihn. Die Ausübung des angeblichen großen amerikanischen Privilegs, in seinen politischen Anschauungen und Handlungen frei und unabhängig zu sein, erwies sich als schweres Verhängnis. Reverend Francis Goodwin hingegen wurde nach wie vor geachtet – das heißt öffentlich; insgeheim wurde er verurteilt. Aber öffentlich war ihm kein Nachteil erwachsen. Vielleicht lag das daran, dass er nicht auf öffentliche Billigung angewiesen war. Sein Vater war sieben Millionen wert und schon alt. Reverend Francis hatte gute Aussichten auf eine Beförderung und würde bald erben.
Was mich betraf, so brauchte ich mir keine Sorgen
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