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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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und das Gelächter der Nation klang ihm in den Ohren.
    Als Mr. Burlingame in Honolulu eintraf, war ich zwei Wochen lang an mein Zimmer gefesselt – nachts an mein Bett, bei Tag an einen Stuhl mit eingesunkenem, korbähnlichem holzgeflochtenem Sitz. Es gab noch einen weiteren Stuhl, aber ich zog diesen vor, weil ich an Sattelgeschwüren litt.
    Als die Bootsladung Gerippe nach dreiundvierzig Tagen in einem offenen Boot mit Vorräten für nur zehn ankam – Überlebende des Klippers
Hornet
, der mehrere tausend Meilen entfernt nach einem Brand gesunken war –, musste ich sie für die
Sacramento Union
interviewen, eine Zeitung, die mich beauftragt hatte, sie fünf oder sechs Monate lang auf den Sandwichinseln zu vertreten. Mr. Burlingame legte mich auf eine Pritsche und ließ mich ins Krankenhaus tragen, und mehrere Stunden lang befragte er die Gerippe, und ich schrieb die Antworten in meinem Notizbuch nieder. Ich brauchte die ganze Nacht, um meinen Bericht über den Untergang der
Hornet
abzufassen, und – aber ich will mich mit diesem Thema jetzt nicht näher befassen.Den Rest der Geschichte habe ich bereits in einem meiner Bücher erzählt.
    Eines Tages gab mir Mr. Burlingame einen Ratschlag, den ich nie vergessen habe und nach welchem ich vierzig Jahre lang gelebt habe. Er sagte in etwa:
    »Meiden Sie Menschen, die Ihnen unterlegen sind. Suchen Sie Ihre Freunde unter Menschen, die Ihnen an Intellekt und Charakter überlegen sind;
klettern
Sie immer
.
«
    Mr. Burlingames Sohn – seit vielen Jahren Herausgeber von
Scribner’s
Monthly
; bald wird er die Ausläufer erreichen, die an der Grenze zum Alter liegen – war mit ihm dort in Honolulu; ein gutaussehender junger Mann von neunzehn Jahren, der vor Lebhaftigkeit, Regsamkeit, Tatkraft und schierer Lebensfreude überschäumte. Jeden Abend besuchte er Bälle, Fandangos und
hula hulas
– bei allen, bei Braunen, Halbweißen, Weißen –, und er konnte die Nacht durchtanzen und am nächsten Nachmittag so frisch sein wie zuvor. Eines Tages entzückte er mich mit einem Scherz, den ich später für einen Vortrag in San Francisco verwendet habe, und von dort ging er durch alle Zeitungen. Er sagte: »Wenn jemand dich nötigt, eine Meile mit ihm zu laufen, so lauf
mit
ihm Twain 16 .«
    Als der Scherz noch neu war, wirkte er überaus lustig und witzig, aber seither ist er mehrere Millionen Mal über mir ausgeschüttet worden – und nie von einem geistvollen und einnehmenden Burschen wie Burlingame, sondern immer von Dummköpfen der niedrigsten Sorte, die es mit kränkendem Eifer taten in der Überzeugung, sie seien die Besten auf ihrem Gebiet. Und so hat er seinen Glanz und seine Keckheit schließlich eingebüßt und ist in meinen Augen zu einem abgerissenen und abstoßenden Stadtstreicher verkommen, der in ein Krankenhaus für Verkommene, Verzweifelte und Menschen ohne Freunde gehört.
    Mittwoch, 21. Februar 1906
    Mr. Langdon entgeht dem Schicksal, Eisenbahnmagnat
zu werden – Mr. Clemens’ Beziehungen zu Bliss, dem Verleger
    Aber ich schweife zu sehr von Susys Biographie ab. Ich erinnere mich, dass ich eine Bemerkung erklären wollte, die ich über Susys Großvater Langdon gemacht habe, der einmal um Haaresbreite dem Glück – oder dem Pech – entging, ein großer Eisenbahnmagnat zu werden. Der Vorfall ist für mich aus mehr als einem Grund von Interesse. Die Einzelheiten erfuhr ich zufällig in einem Gespräch, das mein Schwiegervater und ich führten, als ich mit meinem Verleger einen Vertrag für mein zweites Buch
Durch dick und dünn
vorbereitete. Ich erzählte ihm, der Verleger sei aus Hartford eingetroffen und werde am Nachmittag zu mir kommen, um den Vertrag durchzusprechen und mit unseren Unterschriften zu besiegeln. Ich sagte, ich würde die Hälfte des Verlagserlöses nach Abzug der Herstellkosten fordern. Er fragte, ob eine solche Regelung fair für beide Seiten sei, und meinte, es sei weder ein gutes Geschäft noch gute Moral, Verträge abzuschließen, bei der eine Seite im Vorteil sei. Ich sagte, die von mir vorgeschlagenen Bedingungen seien fair für beide Seiten. Daraufhin meinte Mr. Langdon nach nachdenklichem Schweigen, und in seinem Ton schwang eine schmerzliche Erinnerung mit:
    »Wenn ihr, du und der Verleger, den Vertrag so weit formuliert habt, dass er euch beiden behagt und keine Zweifel zurückbleiben,
unterschreib
ihn – unterschreib ihn noch heute, warte nicht bis morgen.«
    Es stellte sich heraus, dass er selbst diese Weisheit, die er gratis

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