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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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hätten. Er sagte, vielleicht nicht direkt, aber
tatsächlich
seien die Bedingungen für
mich
besser als die Hälfte des Verlagserlöses, denn bei einem Verkauf bis zu hunderttausend Exemplaren betrage mein Gewinn an dem Buch etwas mehr als die Hälfte und erst ab einem Verkauf von zweihunderttausend Exemplaren hole sich der Verlag diesen Vorteil zurück.
    Ich fragte ihn, ob er mir auch wirklich die reine Wahrheit sage. Er bejahte. Ich fragte ihn, ob er die Hand heben und einen Eid ablegen wolle, dass das, was er da sage, vollkommen wahr sei. Er bejahte. Ich bat ihn, die Hand zu heben, was er tat, und ließ ihn schwören.
    Er verlegte dieses wie das nächste Buch für 7½ Prozent Tantiemen und verlegte die nächsten beiden zu 10 Prozent. Doch als ich Ende 1879 aus Europa zurückkehrte und das Manuskript eines weiteren Buchs –
Bummel
durch Europa
– mitbrachte, nahmen die Zweifel, die all die Jahre nicht verstummtwaren, fast die Form einer Überzeugung an, der Überzeugung, dass diese Bestie mich die ganze Zeit betrogen hatte, und ich sagte, diesmal müsse die Klausel »die Hälfte des Verlagserlöses nach Abzug der Herstellkosten« in den Vertrag aufgenommen werden, oder ich würde das Buch anderweitig unterbringen – ich sei die niedrigen Tantiemen leid und hielte sie für einen Betrug an mir.
    Überschwänglich akzeptierte er den Vorschlag und kam am nächsten Tag mit dem entsprechenden Vertrag wieder zu mir nach Hause. Ich sah, dass im Vertrag nicht etwa von der American Publishing Company die Rede war, sondern von E. Bliss jr. Offenbar hatte ich es nur mit ihm zu tun. Ich erkundigte mich. Er sagte, ja, es sei eine niederträchtige, eine undankbare Bande; ohne ihn hätte man mich als Autor längst verloren; und doch sei man ihm nicht in ausreichendem Maße dankbar für seine Dienste, obgleich man sehr wohl wisse, dass ich die einzige Quelle ihres Wohlstands, ja ihres Broterwerbs sei. Er sagte, der Verlag habe damit gedroht, ihm das Gehalt zu kürzen; er wolle kündigen und eine eigene Firma gründen; mit diesen Geizhälsen wolle er nichts mehr zu schaffen haben.
    Die Vorstellung gefiel mir, denn auch ich verabscheute diese Leute und war durchaus bereit, ihnen den Rücken zu kehren. So unterzeichneten wir den Vertrag.
    Später erzählte mir der Schurke, er habe den Vertrag genommen, ihn der Verlagsleitung unter die Nase gerieben und gesagt:
    »Den verkaufe ich Ihnen für drei Viertel des Verlagserlöses nach Abzug der Herstellkosten. Mein Gehalt muss auf dem derzeitigen Niveau weitergezahlt werden; auch das Gehalt meines Sohnes muss auf dem derzeitigen Niveau weitergezahlt werden. Das sind meine Bedingungen. Sie sind nicht verhandelbar.«
    Vielleicht entsprach es der Wahrheit. Falls es der Wahrheit entsprach, war es zweifellos das einzige Mal in Bliss’ sechzig Jahren, dass er den Mund aufmachte, ohne dass ihm durch seine Zahnlücken eine Lüge entwischt wäre. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich ihn nie die Wahrheit sagen hören. Er war eine widerwärtige Kreatur. Wenn er auf Geld aus war, zeigte er den schrillen Ernst und die Ungeduld einer Kreissäge. Nach Art eines kleinen,gemeinen Erdnussverkäufers war er schlau und gerissen, abgesehen davon aber bar jeder Intelligenz; sein Hirn war die reinste Öllache, und er hatte das zittrige Lachen eines Idioten. Es ist meine Überzeugung, dass Bliss in seinem Leben nie etwas Ehrliches getan hat, wenn sich stattdessen die Gelegenheit bot, etwas Unehrliches zu tun. Ich habe Kontakt mit etlichen auffallend gemeinen Männern gehabt, aber im Vergleich zu diesem fiesen Affen waren sie edelmütig.
    Bliss kam ungeschoren davon, ein oder zwei Monate bevor die erste Honorarabrechnung von
Bummel durch Europa
fällig wurde, biss er ins Gras. Als man mir die Abrechnung vorlegte, war sie natürlich eine Offenbarung. Ich sah, dass mich Bliss schon seit dem Tag, als ich den 7½-Prozent-Vertrag für
Durch dick und dünn
unterschrieben hatte, über betrügerische Tantiemen bestohlen hatte. Als Vertragspartner war ich zugegen, als die Abrechnung im Haus von Mr. Newton Case in Hartford der Verlagsleitung vorgelegt wurde.
    Ich beschuldigte Bliss und sagte, die Verlagsleitung müsse in diese Betrügereien eingeweiht gewesen sein und sich der Beihilfe schuldig gemacht haben. Aber man stritt alles ab.
    Da war die Zeit gekommen, wenigstens einmal in meinem Leben etwas Kluges zu tun. Doch alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen, und so tat ich stattdessen natürlich etwas

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