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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Zeitung ausgeschnitten worden. Darunter stand Ihr Name.
    Sie scheint mir deutlicher als alles, was ich gehört oder gelesen habe, Persönlichkeit und Leistungen meines Großvaters vor Augen zu führen. …
    In der Überlieferung gehen Familientraditionen nach und nach verloren. Kleine Kinder haben nicht die Geduld, sich Anekdoten anzuhören, und wenn sie alt genug sind, um deren Wert zu begreifen, scheinen die häufigen Wiederholungen wie die neueren Interessen und Assoziationen vielleicht nicht die Erinnerung selbst, so doch zumindest die spontane Freude an Geschichten über die alten Tage getrübt zu haben – wenn etwas nicht niedergeschrieben und aufbewahrt wird, wie viele der guten Taten ihrer Väter gehen den Kindern dann verloren.
    Vielleicht ist es Ihnen eine kleine Freude, zu erfahren, dass die Worte, die Sie über »einen guten Mann und sehr, sehr großen Mann« geschrieben haben, nach all den Jahren ins Herz eines Menschen gedrungen sind, für den sein Ruhm ganz nah und kostbar ist.
    Sie schreiben: »Mr. Burlingames kurzes Leben – denn er wurde nur siebenundvierzig – liest sich wie ein Märchen. Es ist eine Reihe von Erfolgen, Überraschungen, Glücksmomenten, und jede neue Episode übertrifft die vorhergegangenen.« Das scheint zuzutreffen und hört sich interessant an, obwohl es den traurigen Klang von Schicksal hat. Aber wie soll ich Ihnen jemals für Worte wie diese danken? »Er war ein redlicher Mensch, ein gerechter Mensch, ein großzügiger Mensch, in all seinen Gewohnheiten und nach all seinen Instinkten ein edler Mensch – ein Mensch von großem Intellekt, ein umfassender, tiefer und gewaltiger Denker. Er war ein großer Mann, ein sehr, sehr großer Mann. Die Natur hatte ihn kaiserlich ausgestattet, die Umstände halfen ihm getreulich, und in welcher Position er sich auch befand, stets kämpfte er ritterlich.« Wie soll ich Ihnen für diese Worte danken oder Ihnen sagen, wie tief sie mich berührt haben und wie aufrichtig ich mich bemühen werde, sie an meine Kinder weiterzugeben?
    Dass Ihr Ruhm so heilig sein möge wie dieser, ist in Dankbarkeit mein aufrichtiger Wunsch, nicht so sehr der unvermeidliche, unvergängliche Ruhm, der Ihnen ohnehin sicher ist, als vielmehr der für Ihre Familie und Ihre Freunde immerwährende süße und kostbare Ruhm der schönen Attribute, die Sie meinem Großvater beilegen, die niemals von einem Menschen hätten erkannt werden können, der ihm nicht im Geiste ähnlich ist.
    In der Hoffnung, Sie eines Tages kennenzulernen,
    Ihre sehr ergebene
    Jean Burlingame Beatty
    (Mrs. Robert Chetwood Beatty)
     
    Das versetzt mich Jahre zurück, zu meiner ersten Begegnung mit jenem weisen, gerechten, humanen und reizenden Mann, dem großen Bürger und Diplomaten Anson Burlingame. Es war in Honolulu. Er war mit seinem Schiff eingetroffen, auf dem Weg zu seiner großen Mission in China, und während vieler Tage hatte ich täglich und über lange Stunden die Ehre und den Gewinn seiner Gesellschaft. Er war ein ansehnliches, würdevolles, höfliches und elegantes Geschöpf, in der Blüte seiner besten Mannesjahre, und es war ein zufriedenstellendes Vergnügen, ihn zu betrachten. Seine Perspektive auf die Welt und ihre Angelegenheiten war so weit wieder Horizont und seine Redeweise von einer ihr angemessenen Würde und Eloquenz. Er bediente sich keiner Gemeinplätze, denn er dachte nicht in Binsenweisheiten. Er war ein gütiger Mann und äußerst liebenswert. Er war kein kleinlicher Politiker, sondern ein großer und edelmütiger Staatsmann. Er diente nicht nur seinem Land, sondern gleichermaßen China. Beides hielt sich die Waage. Er kämpfte für Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Alle seine Methoden waren rein, alle seine Beweggründe hochherzig und vornehm.
    Er hatte schöne Augen; tiefe Augen; sprechende Augen; verträumte Augen, wenn er ruhig war; Augen, die strahlen und überreden konnten wie die eines Liebhabers; nach meinem Urteil Augen, die, wenn sein Zorn erregt war, vernichten konnten. Zweifellos hatte Potter (ich glaube, das ist der Name), der Tyrann des Kongresses, das seinerzeit herausgefunden. Potter hatte jeden tyrannisiert, jeden beleidigt, jeden provoziert, jeden eingeschüchtert und war in Washington der Hahn im Korb. Doch als er den neuen jungen Kongressabgeordneten aus dem Westen provozierte, geriet er endlich an einen schlagfertigen, feurigen Mann. Burlingame wählte Jagdmesser auf kurze Entfernung, und Potter entschuldigte sich und gab seine Tyrannei auf,

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