Meine geheime Autobiographie - Textedition
an mich weitergab, unter beträchtlichen Kosten erworben hatte. Vor etwa zwanzig Jahren hatte er sie im Astor House in New York erworben, wo er und ein Dutzend aufstrebender fähiger Geschäftsmänner sich versammelt hatten, um sich eine bestimmte Eisenbahngesellschaft zu sichern, die irgendwann eine gute Anlage zu werden versprach, wenn sie denn angemessen entwickelt und umsichtig geleitet würde. Das war die Lehigh-Valley-Eisenbahngesellschaft. Eine Reihe widerstreitender Interessen mussten in Einklang gebracht werden, bevor das Geschäft getätigt werden konnte. Damit mühten sich die Männer in einem Sitzungssaal des Hotels den ganzen Nachmittag ab. Sieaßen zu Abend, dann versammelten sie sich wieder und setzten ihre Bemühungen bis nach zwei Uhr morgens fort. Hierauf schüttelten sie sich mit großer Freude und Begeisterung die Hände, denn sie hatten einen Erfolg errungen und einen Vertragsentwurf aufgesetzt, der unterschriftsreif war. Die Unterzeichnung sollte eben beginnen; einer der Männer saß am Tisch und hielt schon seinen Federhalter über dem schicksalhaften Dokument, als jemand sagte: »Ach, wir sind todmüde. Es hat keinen Sinn, diese Marter länger auszudehnen. Alles ist zufriedenstellend verlaufen; lasst uns am Vormittag unterschreiben.« Alle stimmten zu, und der Federhalter wurde beiseitegelegt.
Mr. Langdon sagte: »Dank der Verschiebung hatten wir in dieser Nacht fünf oder zehn Minuten mehr Schlaf, aber sie kostete uns mehrere Millionen pro Person, und das war ein gepfefferter Preis. Hätten wir aus unseren vorhandenen Geldmitteln für diesen Preis aufkommen müssen, selbst wenn er nur eine einzige Million pro Person betragen hätte, so hätten wir aufbleiben müssen, denn es gab keinen unter uns, der solch eine Verbindlichkeit vollständig hätte begleichen können. Der Vertrag wurde letztlich nie unterzeichnet. Wir hatten somit eine Bank von England gegen zehn Minuten Extraschlaf eingetauscht – einen sehr kurzen Schlaf, einen offensichtlich unerheblichen Schlaf, aber seither sind wir immer müde. Wenn dein Vertrag heute Nachmittag abschließend verhandelt ist, unterschreib ihn.«
Ich folgte dem Ratschlag. Das war vor fünfunddreißig Jahren, aber seither bin ich immer müde. Ich hatte es mit dem Leiter der American Publishing Company von Hartford zu tun, E. Bliss jr., einem Yankee unter den Yankees. In einem späteren Kapitel werde ich von dieser Episode erzählen. Er war ein hochgewachsener, hagerer, magerer, gelbhäutiger, zahnloser, kahlköpfiger, rattenäugiger professioneller Lügner und Halunke. Ich nannte ihm meine Bedingungen. Er fand sie leicht überzogen. Ich zeigte ihm Briefe verschiedener seriöser Firmen, die mir diese Rate boten. Ich zeigte ihm auch einen Brief der vielleicht besten Firma in Amerika, die mir drei Viertel des Verlagserlöses nach Abzug der Herstellkosten bot. Ich zeigte ihm einen weiteren Brief von einer sehr viel besseren Firma als der seinen, die mir den gesamten Verlagserlös bot und versicherte, sie sei mit dem zufrieden, was sie aus dem Buch als Werbung herausholen könne. Ich sagte, ich würde aufdiese Angebote nicht eingehen wollen und es vorziehen, dort zu bleiben, wo mein Erfolg begründet worden sei, müsse aber auf der Hälfte des Erlöses bestehen.
Da sagte Bliss, meine Forderung sei zwar im Großen und Ganzen fair – zumindest hinreichend fair –, aber es gebe da das Argument, dass ich mittellos und unbekannt zu ihm gekommen sei und sein Haus mich gewissermaßen überhaupt erst erschaffen habe, und diese Leistung sollte im Vertrag berücksichtigt und gewürdigt werden. Es kam mir nicht in den Sinn, ihn an eine Unterredung zu erinnern, die wir neun Monate nach Veröffentlichung der
Arglosen im Ausland
geführt hatten, bei der er mir überschwänglich dafür gedankt hatte, dass ich seinem Verlag das Leben gerettet hatte – ein Gespräch, in dem er gesagt hatte, dass die Aktien der Firma, die bei Erscheinen meines Buches unverkäuflich gewesen seien, nach Ablauf der neun Monate jedoch drei Dividenden zu 20 Prozent abgeworfen und die Firma von Schulden befreit hätten, inzwischen mit zweihundert notiert und nicht einmal zu diesem Spitzenkurs zu haben seien.
Bliss sagte, er werde ins Hotel gehen und den Vertrag gemäß den vereinbarten Bedingungen aufsetzen. Als er den Vertrag brachte, stand darin nichts von der Hälfte des Verlagserlöses. Wieder ging es um Tantiemen – diesmal von 7½ Prozent. Ich sagte, das sei nicht das, was wir vereinbart
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