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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Zeitungsbericht
einfügen, weil Patrick darin vorkommt.
     
    Definition eines Gentlemans
     
    Danach sprach Mark Twain über den Mann, der $ 10   000 hinterlassen hat, um seine Definition eines Gentlemans zu verbreiten. Er
bestritt, den Begriff jemals selbst definiert zu haben, setzte jedoch hinzu, dass er, wenn er es
täte, jene Barmherzigkeit, Treue und Gerechtigkeit einschließen würde, von denen die auf der
Veranstaltung verlesene Bibelstelle gehandelt habe. Er holte einen Brief von William Dean Howells
hervor und sagte:
    »Er schreibt, er ist erst
neunundsechzig, aber ich kenne ihn schon weit länger. ›Ich wurde geboren, um Angst vor dem Sterben
zu haben, nicht vor dem Altwerden‹, sagt er. Nun, bei mir ist es genau umgekehrt. Es ist
schrecklich, alt zu werden. Nach und nach büßt man seine Fähigkeiten und seine Anziehungskraft ein
und wird lästig. Die Leute versuchen einem vorzumachen, man sei nicht lästig. Aber ich weiß, dass
ich lästig bin.
    Dann schreibt er, kein
Lebensabschnitt sei so angenehm wie das achte Jahrzehnt. Das stimmt. Ich bin gerade siebzig geworden
und genieße es sehr. ›Wenn alte Männer nur nicht so lächerlich wären‹ – das meint aber auch nur er!
›Aber‹, fährt er fort, ›sie sind lächerlich, und hässlich sind sie auch.‹ Ich habe noch nie einen
Brief so voller Irrtümer gesehen. Hässlich! Ich war in meinem ganzen Leben nicht hässlich! Vor
vierzig Jahren sah ich noch nicht so gut aus. Damals hielt ein Spiegel drei Monate. Heute kann ich
ihn in zwei Tagen verschleißen.
    ›Sie sind in
Hartford gewesen, um den armen alten Patrick zu begraben. Ich nehme an, auch er war alt‹, schreibt
Mr. Howells. Nein, er war nicht alt. Patrick kam vor sechsunddreißig Jahren zu uns – ein lebhafter,
wendiger junger Ire. Er war in seinem Tun und Denken bemerkenswert und so ehrlich, wie ein Mann nur
sein kann. Fünfundzwanzig Jahre lang war er unser Kutscher, und wenn icheinen
Gentleman in allen Einzelheiten beschreiben müsste, würde ich ihn beschreiben.
    Auf meinen Wunsch hin war ich zusammen mit unserem
alten Gärtner sein Sargträger. Vor langer Zeit hatte er mich und meine Braut gefahren. Als dann die
Kinder dazukamen, fuhr er auch sie. Er bedeutete ihnen alles, und allen in meinem Haushalt bezeigte
er dieselben Gefühle der Ehre, Ehrlichkeit und Zuneigung.
    Er wurde sechzig Jahre alt, zehn Jahre jünger, als ich bin. Howells vermutet,
dass er alt war. So alt war er nicht. Bis zum Ende behielt er dieselben angenehmen und gewinnenden
Umgangsformen bei. Patrick war ein Gentleman, und auf ihn würde ich die folgenden Verse
anwenden:
    So möge ich zu allen höflich sein, den Freunden treu ergeben,
    Treu meinem Gott, ein Duft auf meinen Wegen schweben.«
    Nach der Beerdigung begegnete ich Patricks Familie. Seit
vielen Jahren hatte ich keinen seiner Angehörigen mehr gesehen. Die Kinder waren längst Männer und
Frauen. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, waren sie kleine Geschöpfe gewesen. Soweit ich
mich erinnern konnte, hatte ich sie nicht mehr gesehen, seit sie als kleine Lümmel zusammen mit
unseren und den Nachbarskindern unter dem Weihnachtsbaum bei uns zu Hause Heiligabend gefeiert
hatten, eine Gelegenheit, zu der Patrick als heiliger Nikolaus verkleidet (scheinbar) den Kamin
herabgeklettert kam und zur Bewunderung von Groß und Klein seine Rolle spielte.
    John, unser alter Gärtner, war auch
einer der Sargträger. Die anderen waren irische Kutscher und Tagelöhner – alte Freunde von Patrick.
Die Kathedrale war zur Hälfte voll.
    Ich verbrachte den Abend in Twichells Haus, und am nächsten Tag
traf ich bei einem Mittagessen im Hartford Club elf meiner ältesten Freunde – Charley Clark,
Herausgeber des
Courant;
Richter Hamersley vom Obersten Gerichtshof; Colonel Cheney, Sam
Dunham, Twichell, Rev. Dr. Parker, Charles E. Perkins und Archie Welch. Wir ergingen uns in
fröhlichen Erinnerungen und hin und wieder in Trauer über geliebte Mitglieder der alten
Kameradschaft, deren Namen längst auf ihre Grabsteine gemeißelt worden sind.
    Einer von diesen
war Rev. Dr. McKnight, ein ganz reizender Mann. Und seinerzeit, was Abenteuer anging, fast ein
Rivale Twichells. Einmal, als er beruflich in New York zu tun hatte, kam ein frisch verwitweter Mann
zu ihm und bat ihn, in eine Stadt in Jersey zu fahren und das Begräbnis seiner Frau abzuhalten.
McKnight willigte ein, sagte jedoch, er käme in Bedrängnis, sollte sich die Sache verzögern, da er
zu einer bestimmten Stunde

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