Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
Vom Netzwerk:
Mann
ausdrücken, der seine religiösen Vorurteile beiseitelässt und die Freimütigkeit und Toleranz
beweist, die Sie bewiesen haben.‹ Croker errötete und sagte mit beredtem Nachdruck:
    ›Mr. Twichell, halten Sie mich etwa für
einen gottverdammten Papisten?‹«
    Mr. Rogers flüsterte mir zu: »Das nimmt mir das Gefühl des Unbehagens.«
    Twichell, mit seinem großen Herzen,
seiner tiefen Anteilnahme, seinem grenzenlosen Wohlwollen, seiner Nächstenliebe und seinem Edelmut,
ist die Sorte Mann, die Menschen aller Altersgruppen und beiderlei Geschlechts in Zeiten der Not
aufsuchen, um Trost und Beistand zu finden. Von solchen ist er ständig umlagert. Vor Jahren – vor
vielen Jahren – suchte ein schwachköpfiger junger Esel, der mit Mr. Twichells Pfarrtätigkeit
aufgewachsen war, eine private Unterredung – eine sehr persönliche Unterredung – mit ihm und
sagte:
    »Mr. Twichell, darf ich Sie
um einen Rat bitten? Es geht um eine sehr wichtige Angelegenheit. Sie liegt mir am Herzen, und ich
möchte klug vorgehen. Es handelt sich um Folgendes: Den ersten Urlaub meines Lebens verbrachte ich
auf den Bermudas, wo ich einer ganz reizenden jungen einheimischen Dame begegnet bin, und ich habe
mich in sie verliebt, Mr. Twichell. Ich habe mich, ach!, unsterblich in sie verliebt. Ich kann es
nicht beschreiben, Mr. Twichell. Ich kann es einfach nicht beschreiben. Solche Gefühle habe ich noch
nie gehabt. Sie verzehren mich; sie versengen mich. Als ich hierher zurückkam, konnte ich an
niemanden denken als an dieses Mädchen. Ich wollte ihr schreiben, hatte aber Angst. Ich hatte Angst.
Es schien mir zu verwegen. Vielleicht hätte ich Rat einholen sollen – aber ich war nicht mehr Herr
meiner selbst. Ich
musste
ihr einfach schreiben – ich konnte nicht anders. So schrieb ich
ihr. Ich schrieb ihr so zurückhaltend, wie meine Gefühlees mir erlaubten –
aber die ganze Zeit ahnte ich, dass ich zu verwegen war – ich war zu verwegen – es würde ihr nicht
gefallen. Ich – nun, manchmal verstieg ich mich zu dem Gedanken, dass sie vielleicht antworten
würde; aber dann kam eine kältere Welle, und ich sagte mir: ›Nein, ich werde nie von ihr hören – sie
wird gekränkt sein.‹ Letztlich aber, Mr. Twichell,
kam
tatsächlich ein Brief. Ich weiß mich
kaum zu beherrschen. Ich möchte noch einmal schreiben, aber vielleicht verderbe ich alles –
vielleicht verderbe ich alles –, und ich brauche Ihren Rat. Sagen Sie mir, ob ich es wagen soll. Sie
hat geschrieben – hier ist ihr Brief, Mr. Twichell. Sie schreibt dies – sie schreibt – sie schreibt:
›In Ihrem Brief sagen Sie, Sie wünschten, Sie hätten die Ehre, mich die Hälfte der Zeit zu sehen.
Wie würde es Ihnen gefallen, mich die
ganze
Zeit zu sehen?‹ Wie finden Sie das, Mr.
Twichell? Was halten Sie davon? Glauben Sie, dass sie vielleicht gar nicht gekränkt ist? Meinen Sie,
das lässt auch nur auf den Schatten einer Neigung zu mir schließen? Glauben Sie das, Mr. Twichell?
Könnten Sie mir einen Rat geben?«
    »Nun«, sagte Twichell, »ich möchte nicht zu zuversichtlich klingen. Ich möchte mich nicht zu sehr
festlegen. Ich möchte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen, aber im Ganzen besehen – im Ganzen
besehen –, ist Wagemut in diesen Fällen eine gute Sache. Manchmal bringt Wagemut – kühnes Auftreten
– Dinge zustande, die Zaghaftigkeit nicht zustande bringen würde. Ich glaube, ich würde ihr
schreiben – zurückhaltend natürlich –, aber doch schreiben.«
    »Oh, Mr. Twichell, oh, Sie wissen gar nicht, wie glücklich Sie mich
machen. Ich werde ihr umgehend wieder schreiben. Aber ich werde zurückhaltend sein. Ich werde
vorsichtig sein – sehr vorsichtig.«
    Twichell las den Rest des Briefes – und sah, dass das Mädchen
bereit war, dem jungen Burschen den Kopf zu verdrehen, und ihn erobern würde, ob mit redlichen oder
unredlichen Mitteln, ihn jedenfalls erobern würde. Aber er schickte den jungen Burschen fort, damit
er seinen zurückhaltenden Brief schrieb.
    Der kehrte bald darauf mit dem zweiten Brief des Mädchens zurück
und sagte:
    »Mr. Twichell, würden
Sie ihn lesen? Lesen Sie ihn. Was halten Sie davon?Hat sie eine Neigung zu mir
gefasst? Ich wünschte, Sie sähen es so, Mr. Twichell. Sie lesen ja, was sie schreibt. Sie schreibt:
›Sie bieten an, mir als Geschenk einen Ring zu schicken –‹ Das habe ich tatsächlich getan, Mr.
Twichell! Ich weiß, es war eine Kühnheit – aber – aber – ich konnte nicht anders – ich habe

Weitere Kostenlose Bücher