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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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und schönes Gesicht, makellos in allen Details, und schöne und makellose Hände; wenn
     das Bild mir gehörte, würde ich nie eine Unterrichtsstunde in Kunst nehmen, damit es
     für mich seine ganze vollendete und befriedigende Vollkommenheit nicht
     einbüßt.
    Die
     Gräfin ist zwei, drei Jahre über die vierzig, und aus dem im ganzen Haus verteilten
     großzügigen Vorrat an Bildern und Fotos kann man ersehen, dass sie früher einmal
     anmutig und zeitweise durchaus hübsch gewesen sein muss. Inzwischen schminkt sie
     sich das Gesicht und färbt sich das Haar und versucht auch mit anderen Mitteln, die
     Tradition dieser vergangenen Tage zu bewahren; allerdings trägt sie etwas in sich,
     was die größten Anstrengungen der Kunst und alle Versuche, ihre äußere Erscheinung
     in zufriedenstellendem Zustand zu halten, zunichtemacht. Dieses innere Etwas ist
     ihre Wesensart, ihre Charakteranlage. Sie ist reizbar, arglistig, heimtückisch,
     rachsüchtig, nachtragend, eigennützig, geizig, habgierig, ungeschliffen,
     geschmacklos, ruchlos, unflätig, eine wütende Furie nach außen und im Herzen ein
     Feigling. Ihre Lippen sind mit Lügen, Täuschungen, Betrügereien und Verrätereien so
     vertraut wie ihre Nasenlöcher mit Atem. In Florenz hat sie keine einzige Freundin,
     sie wird in keinem Haus empfangen. Ich glaube, sie ist der meistgehasste Mensch, den
     ich je gekannt habe, und der am tiefsten verachtete. Von Natur aus ist sie eine
     Unterdrückerin, eine Ausnutzerinnoch des kleinsten Vorteils.
     Sie wird von jedem Bauern und jedem anderen Menschen auf dem Anwesen und in der
     Nachbarschaft gehasst, einzige Ausnahme ist ihr Geliebter, der Gutsverwalter. Sie
     hat mir erzählt, dass sie, als sie das Anwesen erwarb, als Erstes alle
     Bauernfamilien davongejagt hat bis auf eine. Das war nicht etwa ein Geständnis,
     sondern dem Tonfall nach eine einzige Prahlerei, und nirgendwo eine Regung von
     Mitgefühl. Sie wusste, dass diese Leute und ihre Vorväter die kleinen Häuser schon
     seit Generationen bewohnt hatten und sie kraft der freundlichen Landessitten als die
     ihren ansahen, solange sie sich gut aufführten. Sie wusste, dass es ein
     schreckliches Unglück für sie bedeutete, auf die Straße gesetzt zu werden; dass es
     fast das Gleiche bedeutete, als würden Inselbewohner ins Meer getrieben. Sie wusste,
     dass diese Leute sich ihrem Heim zuinnerst verbunden fühlten. Einer der Bauern, den
     sie aus seiner Wohnung geworfen hatte, lebte noch sechs Wochen und starb dann,
     obwohl ihm nichts fehlte. Jedenfalls nichts, was die Arznei eines Arztes heilen
     kann, nichts, was in den Büchern des Mediziners steht, nichts, wofür seine
     Wissenschaft Diagnose oder Abhilfe bietet. Die Freunde des Mannes hatten keine
     Zweifel an der Natur seiner Krankheit. Sie sagten, sein Herz sei dort gewesen, wo
     jedermanns Herz ist – in seinem Heim; und als ihm das genommen worden sei, sei ihm
     auch sein Herz genommen worden, und so sei sein Leben ruiniert und nicht länger
     lebenswert gewesen. Die Gräfin rühmte sich mir gegenüber, in ihr sei nichts
     Amerikanisches mehr, inzwischen sei sie ganz Italienerin. Offensichtlich betrachtete
     sie das als eine Blamage für Amerika, und ebenso offensichtlich glaubte sie, Italien
     damit ein Kompliment erster Güte zu machen. Amerika steht noch. Vielleicht überlebt
     Italien die Wohltat der gräflichen Billigung, wir wissen es nicht.
    Der gescheiterte Traum
     dieser einsamen Exilantin hat etwas rührend Komisches. Sie hatte sich eingebildet,
     es bedürfe nur eines Titels, um Zutritt zum Himmel der privilegierten Stände Europas
     zu erlangen, wohingegen sie jetzt feststellt, dass sie nicht einmal dessen äußersten
     Rand durchdrungen hat. Sie hatte ein äußerst wichtiges Detail übersehen – Geld.
     Hätte sie ausreichend davon gehabt, wäre es auf ihren elenden Charakter nicht
     angekommen. Da es ihr daran aber fehlt, sprechen ihr besudelter Name, ihre
     fluchwürdigeNatur und ihr Aufenthalt in einem Stall mit ihrem
     Bediensteten und dem anderen Vieh ganz und gar gegen sie. Sie brachte kein Geld mit
     und hatte keines, das sie hätte mitbringen können. Hätte sie bei der Bank zehn
     Millionen auf der Habenseite, wäre ihr kaum eine Tür verschlossen geblieben; da sie
     aber knapp bei Kasse ist, steht keine ihr offen. Sie hat Damen zur Rede gestellt,
     hat sie mitten auf der Straße wütend zur Rede gestellt, weil sie ihre Besuche nicht
     erwiderten und, wenn sie

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