Meine geheime Autobiographie - Textedition
schriftliche Mietvertrag jedoch
beschränkte uns auf den Stall unter dem Zimmer von Mrs. Clemens. Laut mündlicher
Absprache würde sie das Anwesen verlassen, sobald wir eingezogen wären – ein
außerordentlich wichtiges Detail, das unbedingt in schriftlicher Form hätte
niedergelegt werden müssen, denn niemand, der mit der Gräfin bekannt ist, würde den
üblen Geruch ihrer Gegenwart auch nur im Umkreis von einer Meile ertragen, wenn es
sich vermeiden ließe. Ihren mündlichen Versprechungen zufolge sollten wir über das
Reservoir verfügen, welches das Haus mit Wasser versorgt – noch so ein äußert
wichtiges Detail; da es aber nicht in schriftlicher Form vorlag, konnte sie die
Verfügungsgewalt selbst behalten und behält sie noch immer, und hin und wieder hat
sie sie gegen unseren Komfort und unsere Gesundheit eingesetzt. Der Mietvertrag
räumte uns kein einziges Vorrecht außerhalb des Hauses ein, abgesehen vom Zutritt
durch die Anlagen; wir wurden nicht befragt, zu welchen Zeiten das große Tor offen
stehen sollte; es beliebte ihr, es um sechs Uhr für die Nacht zu schließen, was uns
von diesem Zeitpunkt an bis zum nächsten Morgen zu Gefangenen machte, wovon wir
katastrophalerweise nicht einmal wussten, da sie uns darüber nicht in Kenntnis
setzte. Ich sage katastrophalerweise, denn bei einer Gelegenheit traf unser teurer
Florentiner Spezialist Professor Grocco zusammen mit seinem Assistenten um sechs Uhr
abends an dem vierhundert Meter von der Villa entfernten Außentor ein und fand es
verschlossen. Da es keine Klingel gibt, konnte er uns nicht verständigen. Der
Assistent, Dr. Nesti, ging auf Erkundung und stieß auf ein offenes Tor, das
ebenfalls auf das Podere führt; durch dieses gelangten sie ungehindert zur Villa.
Das große Tor an der Hauptstraße und das neben unserem Haus waren unter dem Vorwand,
das Podere vor Dieben zu schützen, verschlossen worden, während das eigentliche
Gutstor die ganze Nacht über offen stand.
Die Gräfin erfand auch noch andere Mittel und Wege,
um uns Unannehmlichkeiten zu bereiten, und als ihren einzigen Beweggrund vermutete
ich Bosheit, doch stellte sich heraus, dass es damit nicht sein Bewenden hatte. Sie
versuchte uns dazu zu zwingen, ihrem Interimsehemann, dem Leibdiener, finanzielle
Vorteile zu verschaffen. Sie hatte damit gerechnet, dass wirsämtliche Vorräte über ihn beziehen und ihm so die Möglichkeit bieten würden,
uns zu berauben, so wie er die Möglichkeit nutzte, sie zu berauben. In dieser
Angelegenheit war sie sonderbar gesprächig. Sie sagte mir, ich hätte einen Fehler
begangen, weil ich den Brennstoff für den Winter nicht von ihm gekauft hätte; weil
ich die Wein- und Ölvorräte für den Winter nicht von ihm gekauft hätte; weil ich
unserer Köchin kein Pferdefuhrwerk zur Verfügung gestellt hätte, mit dem sie täglich
nach Florenz fahren könnte, um die leicht verderblichen Lebensmittel einzukaufen;
und weil ich nicht
ihn
beauftragt hätte, unsere Wäsche besorgen zu lassen;
und weil ich es ihm nicht gelohnt hätte, wegen des Wassers freundlich zu uns zu
sein; da er es ganz nach Belieben abstellen, es sogar vergeuden könne, so dass wir
gezwungen wären, Wasser von außerhalb zu kaufen und es heranschaffen zu lassen –
etwas, was er einmal ein, zwei Wochen getan hatte.
Der Vertrag untersagte mir, irgendwo im Haus eine
Verbesserung vorzunehmen oder eine bequeme Vorrichtung anzubringen, ohne zuerst ihre
schriftliche Einwilligung einzuholen. Unsere Ärzte lebten drei oder vier Meilen
entfernt in Florenz; mehrere Male benötigte Mrs. Clemens dringend ihre Hilfe, und
jedes Mal nahm es mehr als anderthalb Stunden kostbarer Zeit in Anspruch, nach ihnen
zu schicken und sie kommen zu lassen. Ein Telefon war vonnöten, und ich bat die
Gräfin um die Genehmigung, eins installieren zu lassen. Sie erklärte sich
einverstanden, aber man müsse sie rufen, wenn die Telefonleute kämen, um den Apparat
anzuschließen, damit sie selbst entscheiden könne, wo im Haus er aufgestellt werden
sollte. Es kam mir nicht in den Sinn, sie um eine schriftliche Genehmigung zu
bitten, denn damals war mir noch nicht klargeworden, dass ich es mit keinem
menschlichen Wesen zu tun hatte, sondern mit einem Reptil. Mit Hilfe des
Bankmanagers Mr. Cecchi wurde umgehend ein Vertrag mit der Telefongesellschaft
abgeschlossen; vor mir auf der Warteliste standen siebenundzwanzig
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