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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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befriedigendsten Zuflucht macht, die die Menschheit – Männer und Frauen,
     hauptsächlich aber Frauen – ersonnen hat. Dasamerikanische Haus
     ist reich an weichen und vielfältigen Farben, die das Auge erfreuen und besänftigen,
     an glatten Flächen, die sich angenehm anfühlen, an Formen, die wohlgestalt und
     anmutig sind, an zahllosen Gegenständen, die das Interesse auf sich lenken und
     Blößen bedecken; und die Nacht übt dort sogar einen noch höheren Reiz aus als der
     Tag, denn die künstliche Beleuchtung spendet tatsächlich Licht, statt es nur zu
     versuchen und kläglich zu scheitern; und in ihrem verhüllten und abgetönten Schein
     wirkt all die behagliche Gemütlichkeit des Hauses, wirkt all sein Charme und Komfort
     am schönsten und am lieblichsten. Wenn sich hingegen die Nacht über das kontinentale
     Heim legt, gibt es kein Gas und keinen Strom, um dagegen anzukämpfen, sondern nur
     trübe Lampen von extremer Hässlichkeit und einer unvergleichlichen Armut, was ihre
     Leistungsfähigkeit betrifft.
    29. Sept. 92.
Ich scheine alles vergessen zu können, außer dass ich
     mir die Haare habe schneiden lassen. Ganz gleich, wie sehr ich mich vor Zugluft
     schütze, hier oben scheint es immer windig zu sein. Die größten Schwierigkeiten
     machen jedoch die Fliegen. Hier oben mögen sie es lieber als irgendwo sonst;
     vermutlich wegen des Ausblicks. Es kommt mir vor, als hätte ich noch nie zuvor
     Fliegen gesehen, die beschlagene Hufe haben wie diese hier. Sie scheinen Klauen zu
     besitzen. Wo immer sie den Fuß hinsetzen, krallen sie sich fest. Die ganze Zeit
     laufen sie über meinen Kopf und verursachen mir unendliche Qual. Er ist ihr Park,
     ihr Club, ihre Sommerfrische. Dort halten sie Gartenfeste und Zusammenkünfte ab und
     gehen allem möglichen Zeitvertreib nach. Und sie fürchten sich vor nichts. Alle
     Fliegen sind frech, aber diese hier sind frecher als die anderer Nationalitäten. Sie
     lassen sich mit keiner Vorrichtung verscheuchen. Sie sind auch emsiger als andere
     Arten: Sie kommen vor Tagesanbruch und bleiben bis nach Eintritt der Dunkelheit. Es
     gibt jedoch eine Entschädigung. Mücken fallen mir nicht zur Last. Es gibt nur sehr
     wenige, sie machen keinen Lärm und sind an ihrer Berufung nicht sonderlich
     interessiert. Ein einziges unfreundliches Wort vertreibt sie, wenn man es auf
     Englisch sagt, was sie beeindruckt, weil sie es nicht verstehen; dann kommen sie in
     dieser Nacht nicht wieder. Oft sehen wir sie weinen, wenn man zu barsch mit ihnen
     spricht. Ich habe einige Eier, die ich mit nach Hause nehmen will. Wenn sich diese
     Gattung in unserem Klima züchten ließe, so wäre das von großem Vorteil. Flöhe
     scheint es hier nicht zu geben. Zum ersten Mal in fünfzehn Monaten sind wir auf
     diese Art Interregnum gestoßen. Überall sonst übersteigt das Angebot die
     Nachfrage.
    1. Okt.
Als ich herausfand, dass der Kutscher seine Mahlzeiten in
     der Küche einnimmt, habe ich den Vertrag dahin gehend geändert, dass seine
     Verpflegung inbegriffen ist, für dreißig Francs im Monat. So viel würde es ihn oben
     im Dorf kosten, und ich glaube, ich kann ihn für zweihundert verköstigen und dreißig
     davon einsparen. Dreißig einzusparen ist besser, als nichts einzusparen.
     
    Dieser Auszug aus dem
     Tagebuch erinnert mich daran, dass ich zu jener Zeit etwas Unüberlegtes tat, was
     erst später Früchte trug. Da ich Vittorio, dem Kutscher, ein monatliches Trinkgeld
     zahlen sollte, wollte ich natürlich den Umfang wissen. Also fragte ich den Padrone
     (Herrn) des Kutschers statt jemanden anders – irgendjemanden anders. Er sagte,
     dreißig Francs im Monat seien in etwa angemessen. Hinterher erfuhr ich, dass der
     Betrag überhöht, aber üblich sei – andere als überhöhte Beträge sind nicht üblich.
     Am Ende des Monats forderte der Kutscher jedoch ein zusätzliches Trinkgeld in Höhe
     von fünfzehn Francs. Als ich mich nach dem Grund erkundigte, antwortete er, das
     andere Trinkgeld habe sein Padrone an sich genommen. Der Padrone bestritt dies in
     Vittorios Gegenwart, und Vittorio schien seine Anschuldigung zurückzunehmen.
     Zumindest
behauptete
das der Padrone, und gewiss gab Vittorio sich den
     Anschein, und ich musste dem Padrone glauben, da er das Italienisch des Kutschers
     dolmetschte. Nachdem der Padrone gegangen war, brachte der Kutscher seine
     Anschuldigung erneut vor, und da wir ihn mochten – und ihm glaubten –, gaben wir ihm
     von da an

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