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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Bürger, eine Angelegenheit mit Säbeln klären.
    Damals fand in der unmittelbaren Nachbarschaft ein weiteres Duell – ein Doppelduell – statt, und in diesem Fall hielt sich die Polizei an die Gepflogenheiten und störte nicht. Ihr Lebensunterhalt stand nicht auf dem Spiel. Bei diesem Duell trat ein Arzt gegen zwei Chirurgen an und verwundete beide – einen leicht, den anderen schwer. Ein Bestattungsunternehmer wollte die Leute daran hindern, sich einzumischen, aber auch das war nur natürlich.
    Bei einem willkürlichen Griff in meine Materialien stoße ich als Nächstes auf ein Duell zwischen Soldaten in Tarnopol. Ein Offizier des 10. Dragonerregiments hatteeinen Offizier des 9. Dragonerregiments beschuldigt, gegen die Gesetze des Spieltischs verstoßen zu haben. Irgendwo in der Angelegenheit lag ein Fehler oder bestand ein Zweifel, und dieser musste von einem Ehrengericht untersucht und entschieden werden. Zu diesem Zweck wurde der Fall nach Lemberg verwiesen. Man hätte gern gewusst, worin der Fehler bestand, aber das verriet die Zeitung nicht. Ein Mann von hier, der in vielen Duellen gekämpft hat und einen Friedhof besitzt, sagt, vermutlich gehe es darum, ob die Beschuldigung zutreffe oder nicht; sei ein sehr ernster Vorwurf erhoben worden – beispielsweise Betrug –, werde der Nachweis seiner Stichhaltigkeit den schuldigen Offizier vom Feld der Ehre ausschließen; das Gericht würde einem Gentleman nicht gestatten, sich mit einer solchen Person zu schlagen. Sie sehen, was für eine feierliche Angelegenheit das ist; Sie sehen, wie anspruchsvoll man hier ist; jede noch so kleine unbedachte Handlung kann Sie das Privileg kosten, sich erschießen zu lassen. Das Gericht scheint sich der Sache eingehend und gewissenhaft angenommen zu haben, denn bis es endlich eine Entscheidung traf, verstrichen mehrere Monate. Dann genehmigte es das Duell, und der Beschuldigte tötete seinen Beschuldiger.
    Als Nächstes stoße ich auf ein Duell zwischen einem Fürsten und einem Major; erst mit Pistolen – ohne zufriedenstellendes Resultat für die eine oder die andere Partei; dann mit Säbeln, wobei der Major schwer verletzt wurde.
    Danach ein Säbelduell zwischen Journalisten – der eine ein kräftiger Mann, der andere schwach und bei schlechter Gesundheit. Es dauerte nicht lange; der Kräftige bohrte seinen Säbel in den Schwachen, und der Tod trat sofort ein.
    Danach ein Duell zwischen einem Leutnant und einem Medizinstudenten. Dem Zeitungsbericht zufolge sind dies die Details: Eines Abends war der Student in einem Restaurant gewesen; als er durch den Speisesaal ging, blieb er an einem Tisch stehen, um mit einigen Freunden zu reden; nahebei saßen ein Dutzend Soldaten; der Student verfiel der Idee, dass einer von ihnen ihn »anstarrte«; er forderte den Offizier auf, nach draußen zu gehen und sich zu erklären. Dieser und ein weiterer Offizier griffen nach ihren Mützen und Säbeln und gingen mit dem Studenten nach draußen. Dort – so die Aussage des Studenten – stellte sich der Student dem Offizier vor, der ihn beleidigt hatte, und sagte: »Ich hatte den Eindruck, dass Sie mich angestarrt haben«; als Antwort schlug der Offizier mit der Faust nach dem Studenten; dieser parierte den Hieb; die beiden Offiziere zogen ihre Säbel undgriffen den jungen Burschen an, und einer von ihnen verwundete ihn am linken Arm; dann zogen sie sich zurück. Das war an einem Samstagabend. Das Duell fand am Montag in der Militärreitschule statt – dem offenbar in ganz Österreich üblichen Duellplatz. Die Waffen waren Pistolen. Wenn ich die Darstellung richtig verstehe, der zufolge der Zweikampf »unter sehr schweren Bedingungen« 7 ausgetragen wurde, nämlich »Entfernung: fünfzehn Schritte – drei Schritte vorrücken«, gingen die Duellbedingungen in ihrer Härte über das Übliche hinaus. Es gab nur einen Schusswechsel. Der Student wurde getroffen. »Er legte die Hand auf die Brust, sein Oberkörper krümmte sich langsam nach vorn, dann brach er tot zusammen und sank zu Boden.«
    Es ist jämmerlich. Auf meiner Liste finden sich noch andere Duelle, doch bei jedem einzelnen entdecke ich ein und denselben wiederkehrenden Mangel – anwesend sind nie die
Hauptakteure
, sondern immer nur ihre Scheinvertreter. Die
wirklichen
Hauptakteure bei einem Duell sind nicht die Duellanten, sondern ihre Familien. Diese müssen trauern, diese müssen leiden, ihrer ist der Verlust und ihrer das Elend. Sie setzen all das aufs Spiel, der Duellant nur

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