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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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scharfsinnige Vermutung, aber ich sagte nichts. Nun, sie verabschiedeten sich. Der Sekundant brachte Mr. Laird, der ein wenig wacklig auf den Beinen war, nach Hause, und Laird schickte mir eine Notiz von eigener Hand, in der er es ablehnte, zu welchen Bedingungen auch immer ein Duell mit mir auszufechten.
    Nun, mein Leben war gerettet – gerettet durch diesen Zufall. Ich weiß nicht, was der Vogel von diesem Eingreifen der Vorsehung hielt, ich aber fühlte mich sehr, sehr behaglich – glücklich und zufrieden. Später fanden wir heraus, dass Laird
sein
Ziel vier- von sechsmal getroffen hatte. Wenn das Duell ausgetragen worden wäre, hätte er meine Haut so mit Kugeln durchlöchert, dass sie meine Prinzipien nicht länger hätte halten können.
    Zur Frühstückszeit hatte sich in der ganzen Stadt die Neuigkeit verbreitet, dass ich eine Forderung gemacht und Steve Gillis sie überbracht hatte. Das würde uns einem brandneuen Gesetz zufolge pro Person zu zwei Jahren in der Strafanstalt verhelfen. Richter North selbst ließ uns keine Botschaft zukommen, aber es traf eine Botschaft von einem engen Freund von ihm ein. Er hielt es für eine gute Idee, wenn wir das Territorium mit der ersten Postkutsche verließen. Diese gehe am nächsten Morgen um vier Uhr – in der Zwischenzeit werde nach uns gefahndet, aber nicht sehr intensiv; wenn wir jedoch nach Abfahrt der Postkutsche noch immer auf dem Territorium weilten, würden wir die ersten Opfer des neuen Gesetzes sein. Richter North sei darauf bedacht, Anschauungsunterricht zu jenem Gesetz zu erteilen, und werde uns unbedingt volle zwei Jahre im Gefängnis behalten. Er werde uns nicht begnadigen, nur um irgendjemandem gefällig zu sein.
    Nun, mir schien, dass unsere Gesellschaft in Nevada nicht länger erwünscht war; also blieben wir in unseren Quartieren und ließen den ganzen Tag über große Vorsicht walten – nur Steve ging einmal zum Hotel, um sich um einen anderen meiner Kunden zu kümmern. Das war ein gewisser Mr. Cutler. Sehen Sie, Laird war nicht der Einzige, den ich von meinem Chefredakteurssessel aus zu läutern versucht hatte. Ich hatte mich umgeschaut, mehrere andere Personen ausgewählt und diesen durch herzliche Kritik undMissbilligung neue Lebensfreude eingehaucht – so dass mir, als ich meine Chefredakteursfeder sinken ließ, vier Auspeitschungen und zwei Duelle bevorstanden. Von Auspeitschungen hielten wir nicht viel; damit war kein Staat zu machen; sie waren der Mühe nicht wert. Aber dass man das andere Duell zur Kenntnis nahm, erforderte die Ehre. Mr. Cutler war von Carson City gekommen und hatte vom Hotel einen Mann mit einer Forderung herübergeschickt. Steve ging hin, um ihn zu besänftigen. Steve wog nur dreiundvierzig Kilo, doch im gesamten Territorium war er dafür bekannt, dass er jeden, der auf zwei Beinen ging, was immer dessen Gewicht und Geschick sein mochte, mit den Fäusten niederstrecken konnte. Steve war ein Gillis, und wenn ein Gillis einen Mann zur Rede stellte und einen Vorschlag zu machen hatte, ging es immer gleich zur Sache. Als Cutler herausfand, dass Steve mein Sekundant war, beruhigte er sich; er wurde besonnen und vernünftig und war bereit, ihn anzuhören. Steve gab ihm fünfzehn Minuten, das Hotel, und eine halbe Stunde, die Stadt zu verlassen, oder es würde Konsequenzen geben.
Dieses
Duell also verlief erfolgreich, denn Mr. Cutler brach unverzüglich nach Carson City auf, ein überzeugter und geläuterter Mann.
    Seitdem habe ich nie wieder mit Duellen zu tun gehabt. Ich missbillige Duelle gründlich. Ich halte sie für unklug, und ich weiß, dass sie gefährlich sind. Außerdem sündhaft. Sollte mich heute ein Mann herausfordern, würde ich zu ihm gehen, ihn freundlich und nachsichtig bei der Hand nehmen, ihn zu einer ruhigen entlegenen Stelle führen und ihn
umbringen
. Dennoch hatte ich immer großes Interesse an den Duellen anderer. An allem Heldenhaften, das in die eigene Erfahrung eingeflossen ist, verspürt man stets ein bleibendes Interesse.
    1878, vierzehn Jahre nach meinem nicht zustande gekommenen Duell, trugen die Messieurs Fourtou und Gambetta ein Duell aus, das sie in Frankreich zu Helden, in der übrigen Welt jedoch eher lächerlich machte. In jenem Herbst und Winter lebte ich in München, und ich war an dieser Tragikomödie so interessiert, dass ich einen umfassenden Bericht darüber schrieb; er findet sich irgendwo in einem meiner Bücher – ein Bericht, der einige Ungenauigkeiten enthält, als

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