Meine gute alte Zeit - Teil I
a bungshügel in Nimrud stand und dem örtlichen Vogelve r scheucher zusah, einem alten Araber, der mit einer Schle u der und einer Hand voll Steine die Feldfrüchte gegen Ho r den von Raubvögeln verteidigte. Während ich seine Tref f sicherheit und die Tödlichkeit seiner Waffe bewunderte, erkannte ich zum ersten Mal, dass Goliath sich im Nachteil befand. Von Anfang an hatte David die bessere Ausgang s stellung; er besaß eine auf eine weite Strecke wirksame Waffe, sein Gegner besaß übe r haupt keine.
In meiner Kinderzeit kamen viele interessante Leute zu uns, und es ist bedauerlich, dass ich mich kaum ihrer en t sinne. Von Henry James weiß ich nur noch, dass Mutter sich über ihn ärgerte, weil er darauf bestand, seinen Tee mit einem in zwei Teile gebrochenen Stück Z u cker zu süßen – zweifellos eine Marotte, denn es wäre auch mit einem ganzen Stück gegangen. Rudyard Kipling kam zu Besuch, und auch da erinnere ich mich nur an ein G e spräch meiner Mutter mit einer Freundin über die Frage, warum er eigentlich seine Frau geheiratet hatte.
Obwohl ich zu den Teegesellschaften meist hinunte r kam – in einem weißen Musselinkleid mit gelber Seide n schärpe –, ist nur kaum einer der Gäste im Gedächtnis haften geblieben. Meine Fantasiegestalten waren für mich immer wirklicher als die Menschen aus Fleisch und Blut, die mir begegneten. Ich erinnere mich aber an eine gute Freu n din meiner Mutter, eine Miss Tower – vornehmlich deshalb, weil ich mir unendliche Mühe gab, ihr auszuwe i chen. Sie hatte schwarze Augenbrauen und ri e sengroße weiße Zähne, und ich dachte für mich, dass sie wie ein Wolf aussähe. Sie hatte die Gewohnheit, sich auf mich zu stürzen und mich stürmisch abzuküssen. »Ich könnte dich fre s sen!«, rief sie dann. Ich hatte immer Angst, sie würde es wirklich tun. Mein ganzes Leben habe ich es stets unterlassen, über Kinder herzufallen und sie unau f gefordert zu liebk o sen. Die armen kleinen Dinger, wie sollen sie sich verteidigen? Die liebe Miss Tower, so lieb und gut und Kindern so zugetan – aber ohne jedes Ve r ständnis für ihre Gefü h le.
Lady MacGregor war eine Stütze der Gesellschaft in Torquay, und zwischen ihr und mir bestand ein heiteres, freundschaftliches Verhältnis. Ich lag noch im Kinderw a gen, als sie eines Tages auf mich zutrat und mich fragte, ob ich wüsste, wer sie wäre. Wahrheitsgemäß an t wortete ich, dass ich es nicht wüsste. »Sag deiner Mutter«, trug sie mir auf, »dass du heute Mrs Snooks begegnet bist.« S o bald sie wieder fort war, machte Nursie mir Vorhaltu n gen. »Das war Lady MacGregor – du kennst sie doch sehr gut.« Aber seitdem begrüßte ich sie stets mit Mrs Snooks; das war unser privater kleiner Scherz.
Ein Spaßvogel war auch mein Pate, Lord Lifford, d a mals noch Ca p tain Hewitt. Eines Tages erschien er vor unserem Haus. Als er hörte, dass Mr und Mrs Miller au s gegangen w a ren, sagte er unbekümmert: »Ach, das macht nichts. Ich werde im Salon warten«, und versuchte, sich am St u benmädchen vorbeizuschieben. Das gewissenhafte St u benmädchen schlug ihm die Tür vor der Nase zu und stürzte nach oben, um aus dem bequem gelegenen Fen s ter der Toilette zu ihm hinunterzurufen. Schließlich übe r zeugte er sie davon, dass er ein Freund der Familie war, er sagte zu ihr: »Und ich weiß auch, in welchem Raum Sie sich befinden – es ist das WC.« Dieser Beweis für seine Ortskenntnisse überzeugte sie, und sie ließ ihn eintreten.
In jenen Tagen war man, was die Toiletten betraf, übe r aus taktvoll. Undenkbar, sich von jemandem, der nicht zum i n nersten Kreis der Familie gehörte, beim Betreten oder Verla s sen des Raumes sehen zu lassen – besonders schwierig in uns e rem Haus, da die Toilette auf halber Höhe der Treppe lag und von der Halle aus gut sichtbar war. Das schlimmste war natü r lich, wenn man gerade drinnen war und unten Stimmen hörte. Unmöglich, h e rauszukommen. Man musste eing e schlossen bleiben, bis die Luft wi e der rein war.
Von meinen Freundinnen aus der Kinderzeit weiß ich nicht mehr viel.
Ich erinnere mich an Dorothy und Dolrie; sie waren jünger als ich, Kinder mit Polypen in der Nase, und ich fand sie furchtbar langweilig. Wir tranken Tee im Garten, liefen um die große Stechpalme um die Wette und ve r zehrten »zähe Kuchen« (wie man dort die Brötchen nan n te) mit Devonshire-Sahne. Ich kann mir nicht vorstellen, warum uns das Spaß machte. Ihr Vater, Mr B. war meines
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