Meine gute alte Zeit - Teil I
Karriere machen.
Der Burenkrieg war wohl der letzte in der Reihe jener Kri e ge, die man als »alte« bezeichnen könnte. Es waren Kriege, die weder die Heimat noch das eigene Leben ernstlich berührten. Es waren heroische Bilderbuchkriege, in denen tapfere Soldaten und schneidige ju n ge Männer kämpften. Wenn sie starben, starben sie einen ruhmre i chen Heldentod in der Schlacht. Hä u figer aber kamen sie, die Brust mit Abzeichen bedeckt, wieder nachhause. Sie fühlten sich als Frontkäm p fer des Empires, sie waren Teil von Kiplings Gedichten und jener Partien En g lands, die auf der Landkarte rosa waren. Es kommt einem heute absonderlich vor, dass es Leute gab – junge Mädchen insbesondere – die nichts Besseres zu tun hatten, als we i ße Federn an junge Männer zu verteilen, die ihrer Me i nung nach ihre Pflicht, für ihr Vaterland zu sterben, strä f lich vernachlä s sigten.
Ich erinnere mich kaum noch an den Ausbruch des B u renkriegs. Man betrachtete ihn nicht als einen bedeute n den Waffengang – es handelte sich ja bloß darum, »Kr ü ger eine Lektion zu erteilen«. Wie immer waren die En g länder optimistisch: »In ein paar Wochen ist alles vorbei.« 1914 hörte man die gleiche Phrase: »Bis Weihnachten ist alles vorbei.« Und 1940: »Es hat keinen Sinn, für diese kurze Zeit, die Teppiche einzumotten« – so die Admiral i tät, als sie mein Haus mit Beschlag belegten – »bis zum nächsten Frühjahr ist alles vorbei.«
Mir ist also nur eine fröhliche Stimmung in Erinnerung geblieben, ein Lied mit einer hübschen Melodie – »Der ze r streute Bettler« – und muntere junge Männer, die von Pl y mouth heraufkamen, um ein paar Tage Urlaub bei uns zu ve r leben. Eine Szene ist mir im Gedächtnis haften geblieben. Es war ein paar Tage bevor sich das dritte B a taillon des Royal-Welsh-Regimentes nach Südafrika ei n schiffen sollte. Mo n ty hatte einen Freund aus Plymouth mitgebracht, wo sie damals stationiert waren. Dieser Freund, Ernest Mackintosh – aus unb e kannten Gründen von uns Billy genannt – sollte mir mein Leben lang ein guter Freund und mehr Bruder sein, als Monty es war. Er war ein sehr frö h licher und charmanter junger Mann. Wie die meisten jungen Männer aus unserem Kreis war er mehr oder weniger in meine Schwester verliebt. Die zwei Burschen ha t ten gerade ihre Uniformen erhalten und waren von den ungewohnten Wickelgamaschen fasziniert. Sie wicke l ten sie um den Hals, bandagierten ihre Köpfe damit und machten a l lerlei Späße. Auf einem Bild, das ich noch besitze, stehen sie in unserem Wintergarten mit den Wickelgamaschen um den Hals. Ich übertrug meine kin d liche Heldenverehrung auf Billy M a ckintosh. Auf meinem Nachttisch stand eine Fotografie von ihm mit Vergis s meinnicht umkränzt.
Von Paris ging es nach Dinard in der Bretagne.
In Dinard lernte ich schwimmen und war unglaublich stolz, als ich die ersten sechs Züge machte, ohne unterz u gehen.
Und ich erinnere mich an die Brombeeren – noch nie zuvor hatte ich so große, fette, saftige gesehen. Marie und ich pflückten ganze Körbe voll und verzehrten sie gleic h zeitig in riesigen Mengen. Diese Übe r fülle erklärte sich aus dem Umstand, dass die Bewohner dieser Gegend sie für giftig hielten. »Ils ne ma n gent pas de mûres«, berichtete Marie verwundert. »›Vous allez vous empoisonner‹, sagen sie.« Aber Marie und ich kannten keine so l chen Bedenken und vergifteten uns hemmungslos jeden Nachmi t tag.
In Dinard packte mich zum ersten Mal das Theaterfi e ber. Vater und Mutter hatten ein großes Doppelzimmer mit einem riesigen Erker, e i gentlich einem Alkoven, der durch einen Vorhang abgetrennt war. Ideal für Theate r aufführungen. Insp i riert von einer Pantomime, die ich zu Weihnachten gesehen hatte, zwang ich Marie zum Dienst, und es gab jeden Abend Vorstellungen der verschieden s ten Märchen. Ich suchte mir die Figur aus, die ich darste l len wollte, und Marie musste alle anderen spielen.
Den Blick zurückwerfend, empfinde ich Dankbarkeit für die außero r dentliche Güte meiner Eltern. Ich kann mir nichts Langweiligeres vo r stellen, als Abend für Abend nach dem Dinner heraufzukommen und eine ha l be Stunde zuzusehen und zu applaudieren, während M a rie und ich in unseren improvisierten Kostümen posie r ten und umhersto l zierten. Wir produzierten uns in Aschenbrödel, Dornröschen, Die Schöne und das Tier und ähnl i chem. Am liebsten spielte ich Hosenrollen. Unsere Bü h
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