Meine gute alte Zeit - Teil I
in Gruppen angeordnet und miteinander verbu n den, in meiner Erinnerung fortleben. Es ist Cauterets – das Städtchen, das lange, enge Tal mit seiner kleinen Eise n bahn, seinen baumbestandenen Hängen und den hohen Bergen.
Ich bin nie wieder dahin zurückgekehrt. Ich bin froh darüber. Vor ein oder zwei Jahren dachten wir daran, die So m merferien dort zu verbringen. »Ich würde es gerne wiedersehen«, sagte ich, ohne nac h zudenken, und meinte es auch so. Doch dann fiel mir ein, dass ich ja gar nicht zurück konnte. Man kann niemals an einen Ort zurüc k kehren, der nur mehr in der Erinnerung lebt. Man würde ihn nicht mit den gleichen A u gen sehen – selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich nichts ve r ändert haben sollte. Was vorbei ist, ist vorbei.
Kehre nie an einen Ort zurück, wo du glücklich gew e sen bist. Solange du fortbleibst, bleibt er für dich lebe n dig. Kehrst du zurück, ze r störst du ihn.
Es gibt noch andere Stätten, an die zurückzukehren ich mich geweigert habe. Eine davon ist das Grab Scheich Adis im nördlichen Irak. Wir b e suchten es, als ich das erste Mal nach Mosul kam. Es war damals nicht ganz leicht, Zutritt zu erlangen. Man brauchte einen Erlaubni s schein und musste sich bei der Polizeistation in Am Sifni, u n terhalb der Felsen des Dschebel Maclub melden.
Von einem Polizisten begleitet, wanderten wir einen gewu n denen Pfad hinauf. Es war Frühling, frisch und grün, und wilde Blumen blühten am Wegrand. Ein G e birgsbach schlängelte sich durch die Wiesen. Hin und wieder begegneten wir Ziegen und Kindern. Dann e r reichten wir die heilige Stätte der Jes i den. Die friedliche Ruhe des Ortes ist mir von Neuem gege n wärtig – der mit Fliesen ausgelegte Hof, die in die Tempelmauer gemeiße l te schwarze Schlange. Dann der behutsame Schritt über und nicht auf die Schwelle in die kleine dunkle Gra b kammer. Wir saßen im Hof unter einem sanft rausche n den Baum. Einer der Jesiden brachte uns Kaffee, nac h dem er z u vor sorgfältig ein schmutziges Tischtuch vor uns ausgebreitet hatte. Wir blieben lange Zeit sitzen, ohne dass uns jemand Informationen aufgedrängt hätte. Ich hatte eine vage Vorstellung, dass die Jesiden Teufelsanb e ter waren, und dass sie Luzifer, den »Engelpfau« vereh r ten. Es erscheint mir noch heute sonderbar, dass die A n beter des Satans unter den verschiedenen religiösen Se k ten dieses Teils der Erde die Friedlichsten sein sollen. Als die Sonne sich zu senken begann, traten wir den Rückweg an.
Soviel ich weiß, veranstaltet man dort jetzt Besicht i gungsfahrten. Das »Pilgerfest« ist zu einer Touristenat t raktion g e worden. Ich erlebte das Heiligtum noch in den Tagen seiner Unschuld. Ich werde es ni e mals vergessen.
3
Zuerst ging’s also nach Paris und dann weiter nach D i nard. Es ist ä r gerlich, feststellen zu müssen, dass mir von Paris nicht viel mehr als mein Hotelzimmer in Erinn e rung geblieben ist; es hatte schokoladebraun bemalte Wände, auf welchen es völlig unmöglich war, die Mosk i tos zu s e hen.
Es gab Myriaden von Moskitos. Sie pfiffen und sum m ten die ganze Nacht, und unsere Gesichter und Arme waren mit ihren Bissen b e deckt. (Äußerst demütigend für meine Schwester Madge, der ihr Teint damals sehr am Herzen lag.) Wir blieben nur eine Woche in Paris und verbrachten anscheinend unsere ganze Zeit damit, Mosk i tos zu töten. Wir salbten uns mit allen möglichen sonde r bar riechenden Ölen, stellten Weihrauchsp i ralen ans Bett, kratzten uns unaufhörlich und ließen heißes Kerze n wachs auf die Bisse tropfen. Endlich, nachdem meine Eltern der Hote l leitung energische Vorhaltungen gemacht hatten (der Direktor behaupt e te, es gäbe gar keine Moskitos), wurde uns der aufregende Genuss zuteil, unter Moskit o netzen schlafen zu dürfen. Es war August und siedend heiß, und unter dem Netz muss es wohl noch heißer g e wesen sein.
Es ist anzunehmen, dass man mir einige Sehenswürdi g keiten von Paris zeigte, aber sie hinterließen keinen Ei n druck bei mir. Ja, ich erinnere mich, dass man mich auf den Eiffelturm mi t nahm, aber es ging mir so wie das erste Mal mit den Bergen: Ich sah mich in meinen Erwartu n gen getäuscht. Das einzige Souvenir unseres Aufenthalts in der französischen Hauptstadt war ein neuer Spitzname für mich: Moust i que – Mücke.
Nein, das stimmt nicht. Bei diesem Besuch in Paris machte ich das erste Mal Bekanntschaft mit den Vorlä u fern des M a schinenzeitalters.
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