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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bedel
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übrig, das gebe ich der Katze. Ich sauge nur die weiche Masse aus. Die Katze setzt sich ruhig auf ihren Hintern und wartet.
     Wenn sie dann sieht, dass ich die Hand vor den Mund halte, schleicht sie ran. Ich lasse nicht einmal die Reste auf dem Teller,
     die Krebspanzer, die Knöchelchen und Gräten. Für mich ist das das Beste an Fisch und Meeresfrüchten.
    1950 kam einmal ein Freund meines Vaters zu Besuch und trank mit uns Kaffee. Da erzählte mein Vater, dass sie 1944 im Krieg
     im Hafen von Cherbourg einen toten Deutschen gefunden hatten, dem die
calicocos
, die Wellhornschnecken, die Füße abgenagt hatten. Die Tiere saßen in zwei großen Haufen auf ihm. Als sie ihm die Stiefel
     auszogen, war von den Füßen nichts mehr da.
    Nach dieser Geschichte wollte ich keine Schnecken mehr essen. Doch die Fischer und die Leute von der Seenotrettung wissen
     das: Wenn man eine Wasserleiche findet, haben die Tiere immer die Weichteile gefressen, Augen, Gehirn und so weiter   … Der Mensch hat nun einmal viele weiche Stellen.
    Letztlich bin ich nicht besser als diese Viecher. Auch ich fange bei den Augen an, aber es ist doch nicht dasselbe!
    Damit man das Meer essen und ein guter Fischer werden kann, gibt es ein paar Tricks. Wenn du am Eingang zu deinem Hummerloch
     einen Meeraal findest, ist ganz sicher ein Hummer drin, der seinen Panzer abwirft. Das hat mir mein Vater immer versichert.
     Der Meeraal wartet, um ihn ohne Schale zu schnappen, ja, er will ihn fressen. Ich habe selbst auch schon Hummer ohne Panzer
     gefangen, das ist ein seltsames Gefühl, wenn man sieanfasst, aber sie schmecken sehr gut. Tragen Krebse und Hummer jedoch Eier unter dem Bauch, lässt man sie wieder laufen. Einmal
     haben uns sogar Gendarmen auf dem Parkplatz kontrolliert. Wir haben alle unsere Kiepen zeigen müssen. Sie wollten wissen,
     ob wir auch ja keine eiertragenden Weibchen dabei hätten. Dann sollten wir noch ins Röhrchen blasen. Ich konnte mir einen
     Witz natürlich nicht verkneifen:
    »Ich muss erst die Brille absetzen.«
    »Wieso?«, fragt der Gendarm und runzelt die Stirn, während ich so tue, als fände ich das Gestell auf der Nase nicht.
    »Weil das dann zwei Gläser weniger macht!«
    Auguste, mein Bruder, hat sich gar nicht mehr eingekriegt vor Lachen. Danach meinte er:
    »Pass bloß auf, früher oder später lochen sie dich noch ein.«
    Einmal haben wir nach einem Schiffbruch den großen Überseekoffer des Kapitäns am Strand gesehen. Ein Kerl kam, packte ihn
     und versteckte ihn auf seinem Wägelchen, das von einem Esel gezogen wurde. Wir wussten, dass etwas Wertvolles drin sein musste,
     wahrscheinlich Banknoten, aber wir waren ja so dumm damals, wir haben uns nicht getraut zu fragen. Als der Kerl an uns vorbeiging
     und uns sozusagen der Speichel aus dem Mund lief, winkte er uns nur zu und meinte:
    »Hallo, Jungs. Scheißwetter, nicht wahr?«
    Da saßen wir und hielten Maulaffen feil, während er mit dem Geldkoffer an uns vorüberzog! Wir hätten aufstehen und den Tang
     beiseite ziehen sollen, dann hätten wir wenigstens gewusst, was drin war, und nicht ein halbes Jahrhundert darüber reden müssen.
    Später prahlte er mit einer Taschenuhr aus Gold. Daalles geheim war, sagte niemand etwas, aber jeder wusste Bescheid.
    Ich bin kein Schatzsucher, ich gehe nur auf Hummer und Barsche. Solch einfachen Sachen machen einen glücklich. Das macht nicht
     groß was her, aber das Meer zu essen, das lernt man im Laufe eines Lebens.

Einfach abtreten
    Die Schwestern sind ja recht verschwiegen, aber sie kennen alle Geschichten aus dem Dorf, vor allem die von den Schiffbrüchen.
     Jeder hat schon einmal nach einem Sturm kleine Treibgut-Schätze am Strand eingesammelt. Einige der Alten – damit meine ich
     die, die damals so alt waren wie ich jetzt – holten ihre Butter, die wir bis 2004 auf dem Hof verkauft haben, auf Tellerchen
     mit der Aufschrift
Prince Line
ab, die bei einem Schiffbruch angeschwemmt worden waren.
    Hier wird alles aufgehoben. Die Geschichte unseres Landstrichs ist den Dingen eingeschrieben. So bestehen beispielsweise die
     Fensterläden an meinem Haus oder ein paar von den Einzäunungen aus Fundholz. Welches Schiff gekentert ist, kann man an den
     Buttertellern ablesen. Man glaubt das heute ja nicht mehr, aber wir sind mit dem Meer und der Erde verbunden. Da ist der Mensch
     nur eine kleine Marionette.
    Wie gesagt: niemand, wirklich niemand wird je meine Hummerlöcher zu sehen bekommen. Ich werde von meinen

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