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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bedel
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Löchern erzählen,
     aber sie niemals herzeigen. Ich habe euch zwar beschrieben, wie man hinkommt, aber ich habe ein ganzes Leben gebraucht, um
     sie wirklich kennenzulernen, und wenn ich jetzt verrate, wo sie sind, habe ich das Gefühl, mit mir ist Schluss. Vielleicht
     könnte ich ja jemanden mitnehmen, wenn der Mond tief steht und der Nebel so dicht ist, dass man ihn mit einem Messerschneiden könnte. Derjenige hätte dann so viel Angst, sich zu verirren, dass er nicht mehr darauf achten würde, wo er den
     Fuß hinsetzt. Denn ich, und da übertreibe ich nicht, ich erkenne die Steine mit den Füßen. Ich würde mich nie verlaufen, andere
     schon! Ich warte und esse das Meer und die Erde. Vielleicht halten manche mich für einen seltsamen Vogel. Aber wenn jemand
     meine Löcher freilegt, dann nur, weil er etwas im Schilde führt. Und trotzdem müsste er höllisch aufpassen, dass die Wellen
     ihn nicht wegreißen. Dann hätte mein Hummer was zu fressen. Der Hummer, den ich verloren hätte, den ein anderer hätte fangen
     wollen, nur leider ist er dabei ertrunken.
    Meine Löcher sind Schweigen, ein bisschen Privatleben sozusagen. Mein Morgen im Angesicht der Gezeiten, meine Nächte unter
     dem Auge des Mondes.
    Dennoch wird der Tag kommen, an dem ich es halten werde wie mein Vater und mein Onkel. Ich werde meinen Neffen mitnehmen oder
     eine andere Person meiner Wahl, einen nur, nicht etwa zwei, und ich werde ihm mein Territorium zeigen, ich werde das Geheimnis
     weitergeben. Das heißt dann auch, dass ich mich matt fühle, dass es nicht mehr lange dauert, bis ich das letzte Mal hier die
     Gezeiten sehe.
    Ich müsste vielleicht auf allen Vieren krabbeln, aber ich würde noch mal ans Meer gehen. Sicher!
    Aber irgendwann wird einer in meine Fußstapfen treten. Was meine Löcher angeht, aber auch bei anderen Dingen. Man muss einfach
     abtreten können. Darum kommt man nicht herum.
    Mein Vater, mein Onkel und ich – das sind mehr als zweihundert Jahre Erfahrung im Fischen, die Urgroßeltern nicht eingerechnet!

Die Stille
    Françoise hat sich einmal eine Rippenfellentzündung eingefangen. Es hat ganz schön lang gedauert, bis sie wieder gesund war,
     und sie langweilte sich zu Tode. Sie aß nichts mehr, solche Schmerzen hatte sie. Ich habe für sie gekocht, meistens Rinderragout
     mit Abalonenmuscheln. Davon aß sie dann ein paar Bissen. Dann habe ich ihr noch etwas zu trinken gegeben.
    Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich tun sollte. Eines Tages kam ich vom Meer mit einem schönen Hummer zurück. Ich habe
     ihn lebend in ihr Zimmer hinaufgebracht, er tropfte noch, was für den Holzboden nicht gut ist. Da sog sie den Geruch des Meeres
     ein und fühlte sich sofort besser. Ich habe es in ihren Augen gesehen. Damit habe ich ihr wieder Appetit aufs Leben gemacht.
     Sie wollte schneller gesund werden, um wieder raus zu können.
    In der Stille, der echten Stille hörst du dich selbst. Zur Stille gehört die Freiheit. Wenn ich eingesperrt wäre, könnte ich
     sie nicht hören. Die Krankheit hatte meine Schwester eingesperrt, doch der Geruch des Meeres hat sie mit Freiheit erfüllt.
     Das kann man gar nicht in Worte fassen. Und doch ist es da, für jeden!
    Wenn man älter wird, wiederholen sich manche Ereignisse, so wie sich die Jahreszeiten wiederholen. Als am 15.   Juli 2008 die
Queen Elizabeth II
in Cherbourg einlief, fühlte ich mich um siebzig Jahre zurückversetzt.Damals hatte ich von unseren Feldern aus zwei Nachbarinnen beobachtet, die auf einem Mäuerchen saßen, das die Deutschen später
     während des Krieges sprengten. Als ich vorbeimarschierte, riefen sie mir zu:
    »Komm doch her, Paul. Die
Kweeen Elisabeth
soll heute noch hier vorbeikommen.«
    Ich höre sie heute noch sagen »Kweeen Elisabeth«. Ich spreche es immer noch aus wie sie! Aber ich bin zu meiner Mutter gegangen.
     An ihrer Seite habe ich gesehen, wie dieses riesige Schiff an der Küste, ganz nahe an den Felsen, vorüberzog. Sie lag tief
     im Wasser, als sie da groß und majestätisch ohne einen Laut dahinglitt. Ja, vollkommen lautlos. Es tat einem im Herzen weh,
     so schön war sie. Und natürlich dachte man, im Innern des Schiffes müsse alles genauso schön sein.
    2008 hat die
Kweeen Elisabeth
dagegen niemand vorüberfahren sehen, sie fuhr weiter draußen als ihr Schwesterschiff siebzig Jahre davor. Außerdem behinderten
     Nebel und Regen bis zum Abend die Sicht. Das war wie mit der Sonnenfinsternis 1999.   Wir haben alle darauf gewartet und

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