Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
nun keine Heimat mehr. Stattdessen Straßen, Lastwagen, Beton, Krach. Und dann all die Leute,
die »Auswärtigen«, die uns mit diesem belustigten, manchmal auch verächtlichen Blick musterten. Das war nur ein Grund mehr,
weshalb wir uns nicht für diese Betonbauten interessierten, die bald höher waren als unsere Häuser. Manche Leute von auswärts
behandelten uns, als wären wir irgendwie abartig. Das sagte man uns sogar. Meist aber beleidigte man uns einfach nur mit Blicken.
Mir hat das nichts ausgemacht, ich liebe diesen Landstrich zu sehr. Meine Schwestern auch. Wir sind mit den Tieren, den Steinen
hier in Liebe verbunden. Eigentlich mit allem. Ich bin sicher, dass es auch solche verächtlichen Blicke waren, die die jungen
Leute von hier vertrieben haben. Doch mit der Zeit haben wir gelernt, uns gegenseitig zu achten und uns einander anzupassen.
Das ist viel besser so. Jeder führt sein Leben, wie es ihm passt. Solange ich Kühe hatte, bin ich um halb fünf Uhr morgens
aufgestanden, habe noch ein wenig in meiner Werkstatt herumgebastelt, bevor ich um halb sieben, nach dem ersten Kaffee, zum
Melken ging. Ihr hier im Werk müsst euch nach dem Wecker richten und seid Sklaven der Zeit. Ich nicht.«
Das war es in etwa, was ich den Leuten in der Wiederaufbereitungsanlage gesagt habe.
Ich könnte ja noch einen kleinen Witz anbringen: Wenn die Atomanlage funktioniert, haben wir bald Hummer mit vier oder sogar
sechs Scheren. Das wäre doch gar nicht schlecht!
So ganz passt mir das Werk dort auch nicht, aber immerhin haben dadurch ein paar Leute Arbeit. Ich habe das Werk besucht,
und das war’s auch schon. Nichts hat sich geändert. Ich bin hinein und wieder heraus, und ich danke dem Direktor für den freundlichen
Empfang, den er uns bereitet hat.
Der Krieg hat alles verändert, alles zerstört. Damit mussten wir dann leben. Viele Leute kritisieren das Werk und meinen,
sie wollen es hier nicht haben. Aber dann schalten sie doch den Strom ein. Es gibt sogar Leute, die uns, die Menschen von
La Hague, kritisieren, weil wir hier unter dem »atomaren Niederschlag« leben. Und doch kommen sie ohne Strom nicht aus.
Man verachtet uns.
Wenn ich mich dazu äußere, heißt es gleich: »Dieser Idiot hat sich doch bisher nur um seinen Acker gekümmert!« Mag schon sein,
nur verstehen die Leute, die uns verurteilen, nicht, dass wir keine Wahl hatten – wie mit dem Krieg. Man wirft uns vor, dass
wir den Bau der Wiederaufbereitungsanlage nicht verhindert haben. Sie hätte ja auch woanders stehen können. Jetzt ist sie
da. Wir wollten keine Anschläge unterstützen, um den Bau zu verhindern, womöglich wären Menschen ums Leben gekommen. Revolutionen
führen nirgendwohin, Tote auch nicht.
Es gab Demonstrationen, aber wie soll ein kleiner Landstrich, auf dem gerade mal eine Handvoll Leute leben, gegen einen Beschluss
angehen, der an so hoher Stelle gefasst wurde? Wie hätten wir denn die »verfluchte«Heide retten sollen? Meine Tante Alexina ging mit dem Stock auf die »Atomleute« los. Nun, das liegt wohl in der Familie, das
hat mein Großvater mit den Boches auch so gemacht. Sie verteidigte ihr Land mit einem Stock. Auch gegenüber Leuten, die ohne
Erlaubnis auf ihrem Grund und Boden jagten. Vor Gewehren hatte sie keine Angst. Ingenieure, Landvermesser, Jäger, ja sogar
Spaziergänger … Mich hat sie auch mal bedroht, als ich mit meinem Vater über ihre Felder ging. Aber mein Vater meinte nur:
»Ich habe zwei Finger im Krieg (1914 – 18) verloren, damit du hier in Frieden leben kannst. Also lass uns schon vorbei.«
Von da an hat sie uns in Ruhe gelassen.
Meine Tante war schlau. Sie hat den Preis für ihre Felder ganz schön hochgetrieben, nur um alle zu ärgern. Aber am Ende ist
sie doch enteignet worden. Soweit ich weiß, hat sie die Entschädigung dafür nie angerührt. Sie hat das Geld einfach auf der
Raiffeisenkasse liegen lassen. Und als sie gestorben ist, war es nichts mehr wert.
Die Leute hier lassen sich nicht kaufen. Zumindest hat es noch keiner geschafft, Menschen in Geld zu verwandeln.
Wenn man La Hague in den Dreck zieht, mein La Hague, regt mich das richtig auf. Die Leute, die sich Hunderte Kilometer von
hier entfernt mit Atomstrom das Leben erleichtern, sollten mal hierher kommen und sich einfach das Land ansehen, nur schauen.
Nicht das La Hague, das man mit der Wiederaufbereitungsanlage in Verbindung bringt, sondern das alte, authentische La
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