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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bedel
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Hague
     mit seinen Bewohnern.
    Denn mein Vater hatte recht: Zu viele junge Männer haben im Krieg ihre Gliedmaßen verloren. Der Menschbraucht Frieden. Die Leute, die uns »die Verstrahlten« nennen, sind genau die, die nie hierherkommen und diese schöne Landschaft
     betrachten. Aber da verpassen sie wirklich was!
    Ich verlange nur eins für die Jungen und Mädchen, die auf diesem Fleck Erde zur Welt kommen: dass man uns achtet und uns wie
     Menschen behandelt und nicht in Fernsehsendungen und Zeitungsartikeln in den Dreck zieht. Kritik darf unserem Land nicht schaden,
     keinem Land.

Der Atompfarrer
    La Hague, das sind für uns unsere Felder, unsere Steilhänge, unser Boden. La Hague, das ist ein Schiff auf dem Wasser. Unsere
     Milch, unsere Kühe, unsere Schafe, die auf salzigen Weiden grasen. Und unsere Steinmäuerchen. Die Butter aus unseren Molkereien
     trug früher die Aufschrift »La Hague«. Jetzt hat man diesen Namen ersetzt. Nun heißt es: »Butter aus Val de Saire« oder »Valco«.
     Wenn auf einem Lebensmittel »La Hague« steht, lässt es sich nicht mehr verkaufen. Was die hämischen Bemerkungen angeht, weil
     wir in der Nähe der Wiederaufbereitungsanlage leben, halte ich mich gern an unseren Pfarrer Camille Hamel. Der hat sich darüber
     nur lustig gemacht. Seine Kollegen in Coutances haben ihn den »Atompfarrer« getauft. Das gefiel ihm. Er meinte, das höre sich
     an, als sei er voller Energie!
    Wir hatten ja keine andere Wahl, als darüber zu lachen. Immerhin hat es den Vorteil, dass unsere Küste nicht mit den Bettenburgen
     für die Touristen verbaut wurde. In gewisser Weise haben wir Glück gehabt.
    Es gibt hier nur wenige Menschen, die nicht vom Werk profitiert haben. Meinen Schwestern und mir bescherte es beispielsweise
     viel mehr Kundschaft für unsere Butter. Wir waren Bauern, und auf einmal, wenn ich das so sagen darf, hat man uns das Atomzeug
     vor die Nase gesetzt, die atombetriebenen Unterseeboote und das Kernkraftwerk in Flamanville. Wir sind von der Atomindustrieumgeben. Vom traditionellen zum modernen Leben, könnte man sagen. Die Landschaft hat sich verändert, ich nicht. Bei uns hat
     sich nichts verändert, gar nichts. Vielleicht leiden wir deshalb nicht darunter. Mir hat vor allem der Wegzug der jungen Bauern
     weh getan, die die Felder ihrer Eltern aufgegeben haben. Das schon. Das hat mir richtig zugesetzt, schon wegen der Einsamkeit.
     Aber die Anlage – oder irgendetwas anderes in dieser Richtung – hat mein Leben kein bisschen verändert.
    Viele meiner Besucher meinen, ich hätte mehr Geld, wenn ich im Werk arbeiten würde. Aber ich habe meinem Vater nun einmal
     versprochen, in seine Fußstapfen zu treten, seine Hände durch meine zu ersetzen. Und daran habe ich mich gehalten. Das hat
     mit Politik gar nichts zu tun. Es war ein Versprechen: Ich habe den Hof übernommen.
    Immer wieder heißt es, wenn ich Kinder gehabt hätte, hätte ich mein Versprechen nicht halten können. Ich hätte meine Felder
     mit irgendeinem Düngerdreck verschandeln und Schulden machen müssen. Und irgendwann hätte ich doch zum Arbeiten ins Werk gemusst.
    Das leuchtet mir nicht ein. Wir haben zu sechst von den Erträgen des Hofes gelebt, mein kleiner Bruder, meine Schwestern,
     meine Mutter und meine Tante. Und wir konnten noch etwas zur Seite legen. Ein Kind, eine Familie hätte leicht von unserem
     Hof leben können.
    Die meisten Bauern, die ins Werk gingen, haben ihren Hof behalten. Die Frauen kümmern sich um die Kühe, dann haben sie zwei
     Einkommen, das Einkommen aus der Milch und das aus der Arbeit, und das letztere ist, wie jedermann weiß, nicht gerade knapp
     bemessen. Und die Kinder gehen sogar ins Internat in Cherbourg, nichtauf unsere kleine Schule in Beaumont-Hague in dem Plattenbau aus der Nachkriegszeit. Einige Kinder haben eine tolle Ausbildung
     erhalten.
    Das Werk ist sozusagen die Milchkuh unseres Landstrichs. Wir, die Familie Bedel, brauchen nicht viel Geld zum Leben. Der kleine
     Bruder hat eine Ausbildung gemacht. Was ich damit sagen möchte, ist, dass jede Entscheidung in Ordnung ist. Jeder muss sich
     nach sich selbst richten. Eine Frau aus dem Ort, die auch immer nur Butter verkaufte, konnte ihren beiden Kindern schließlich
     einen Bauernhof schenken. Das ist doch der beste Beweis, dass man hier sein Auskommen hatte.
    Das Land, auf dem das Werk steht, kann niemals wieder zum Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden, so viel ist sicher. Aber
     ich habe schon vor langer

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