Meine kurze Geschichte (German Edition)
bedeutendes Werk.)
Don und mich beschäftigte die Frage, ob sich die von mir vorhergesagte Strahlung Schwarzer Löcher beobachten lasse. Die Temperatur der Strahlung eines Schwarzen Lochs von der Masse der Sonne betrüge nur ein Millionstel Kelvin, läge also kaum über dem absoluten Nullpunkt und würde von der kosmischen Hintergrundstrahlung mit ihrer Temperatur von 2,7 Kelvin vollkommen überdeckt. Allerdings könnte der Urknall sehr viel kleinere Schwarze Löcher zurückgelassen haben. Ein primordiales Schwarzes Loch von der Masse eines Berges würde Gammastrahlen emittieren und sich jetzt seinem Lebensende nähern, da es den größten Teil seiner ursprünglichen Masse abgestrahlt hätte. In der Gammahintergrundstrahlung suchten wir nach Belegen für solche Emissionen, fanden aber keine. Allerdings konnten wir für die Verbreitungsdichte von Schwarzen Löchern dieser Masse eine Obergrenze bestimmen, die darauf schließen lässt, dass wir uns wahrscheinlich nicht nahe genug an einem befinden, um es zu entdecken.
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HEIRAT
ALS WIR 1975 vom Caltech nach England zurückkehrten, war uns bewusst, dass ich die Treppe in unserem Haus nicht mehr bewältigen konnte. Die Wertschätzung des Colleges für mich war inzwischen erheblich gestiegen, daher überließ man uns eine Erdgeschosswohnung in einem großen viktorianischen Haus, das sich in seinem Besitz befand. (Inzwischen ist das Haus abgerissen und durch ein Studentenwohnheim ersetzt worden, das meinen Namen trägt.) Zur Freude der Kinder lag die Wohnung in einem von Collegegärtnern gepflegten Park.
In der ersten Zeit nach unserer Rückkehr fühlte ich mich in England nicht recht glücklich. Alles erschien mir viel zu provinziell und engstirnig im Vergleich zur eher zupackenden Mentalität der Amerikaner. Die Landschaft war damals übersät mit toten Bäumen, die am Ulmensterben eingegangen waren, und überall wurde das Land von Streiks heimgesucht. Allerdings besserte sich meine Stimmung, als ich wahrnahm, dass meine Arbeit erfolgreich war, und als ich 1979 auf den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik berufen wurde, den einst Sir Isaac Newton und Paul Dirac innehatten.
1979 wurde auch Tim, unser drittes Kind, geboren. Wir waren zuvor auf Korsika gewesen, wo ich Vorlesungen bei einer Summer School gehalten hatte. Nach der Geburt nahm Janes Depression weiter zu. Sie wurde von der Sorge umgetrieben, dass ich bald sterben würde, und sehnte sich nach jemandem, der sich um sie und die Kinder kümmern, der sie heiraten würde, wenn ich nicht mehr war. Einen solchen Mann fand sie in Jonathan Jones, einem Musiker und Organisten an der örtlichen Kirche, und sie überließ ihm ein Zimmer in unserer Wohnung. Normalerweise hätte ich dagegen protestiert, ich rechnete aber ebenfalls mit meinem frühen Tod und wollte wie sie die Kinder für diesen Fall versorgt wissen.
Mit meiner Familie nach der Taufe von Tim, unserem dritten Kind
Mein Zustand verschlechterte sich zusehends, und eines der Symptome meiner fortschreitenden Erkrankung waren anhaltende Hustenanfälle. 1985, auf einer Reise zum CERN (der weltbekannten Großforschungseinrichtung für Hochenergiephysik) in der Schweiz, bekam ich eine Lungenentzündung. Mit Blaulicht wurde ich ins Kantonsspital gefahren und an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Die Ärzte im Krankenhaus hielten meinen Zustand für so hoffnungslos, dass sie vorschlugen, das Beatmungsgerät abzustellen und mein Leben zu beenden. Aber Jane verweigerte ihre Zustimmung und ließ mich mit einem Rettungsflugzeug ins Cambridger Addenbrooke’s Hospital fliegen. Dort bemühten sich die Ärzte nach Kräften, meine frühere Verfassung wiederherzustellen, mussten am Ende aber doch einen Luftröhrenschnitt vornehmen.
Schon vor meiner Operation war meine Sprache immer undeutlicher geworden, sodass ich nur von Leuten verstanden wurde, die mich gut kannten. Aber immerhin konnte ich mich mitteilen. Ich schrieb wissenschaftliche Artikel, indem ich sie einer Sekretärin diktierte, und hielt Vorträge mit Hilfe eines Dolmetschers, der meine Worte artikuliert wiederholte. Doch nach dem Luftröhrenschnitt konnte ich überhaupt nicht mehr sprechen. Eine Zeitlang vermochte ich mich nur durch das Buchstabieren von Wörtern zu verständigen, und zwar, indem ich die Augenbrauen hob, wenn jemand auf einer Tafel den richtigen Buchstaben zeigte. Es war ziemlich schwierig, auf diese Weise ein Gespräch zu führen, von dem Versuch, einen
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