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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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    Also ging er zu seinem Freund auf Distanz. Auch das auf gekünstelte Weise. Beinahe schon trotzig. Bitte sehr, wenn ihr es so haben wollt.
    Jetzt bleibt nicht mehr viel. Am 10. Februar 1937 kam es zum letzten Treffen mit der Parteiversammlung. Gegenstand: Der Prozess – dieser Sieg über den Trotzkismus in der Sow
jetunion! Aber, Genossen, manche scheinen daran zu zweifeln – wir wollen diesen Genossen helfen, fordern dafür aber auch Ehrlichkeit gegenüber der Parteiversammlung, wir verlangen, dass sie sich erheben und ihren Bedenken Luft machen – doch seht, eben das tun sie nicht, sprechen stattdessen davon, was in Spanien geschieht. Wie Kurella. Der in Zusammenhang mit dem Prozess auch merkwürdige Dinge von sich gegeben hat.
    Und wieder fällt mir auf, wie offen Heini ist, wie er sich immer noch – wo er sicherlich längst begriffen hat, dass er in einer üblen Lage ist – in spitzfindige Diskussionen darüber begibt, was er tatsächlich über Radeks Rede geäußert hat – beispielsweise Folgendes: »Auch wenn man ihnen sonst nicht glauben kann, so hat Radek darin recht, wenn er sagt: Wer sich nur das kleinste zuschulden kommen lässt gegenüber der Partei, der landet beim Faschismus.«
    Derlei Ironie war zweifelsohne völlig verschwendet, denn Remmele erwiderte nur, dass Kurella nun mit eigenen Worten bewiesen habe, dass er sich auf dieselbe Seite wie Radek gestellt habe – was im Februar 1937 keine sonderlich sichere Position verhieß.
    Und ich könnte mir vorstellen, dass es gerade sein Eifer, zu ermitteln, was er geäußert hat, was er meinte, dass es gerade die – leicht verdrehten – Worte waren, die ein halbes Jahr später sein Todesurteil bedeuteten sollten, sind sie doch alle dick unterstrichen worden. Irgendwer wird ihm diese Worte ins Gesicht schleudern: Haben Sie nicht selbst gesagt, Genosse …

    Vielleicht begeht er ja Selbstmord? Ganz bewusst? Mit hocherhobenem Kopf?

    Sjubin schließt die »Frage Kurella« ab. »Wenn ich von dieser Diskussion Kenntnis gehabt hätte«, so sagt er, »und begriffen hätte, dass die Fehler nicht korrigiert worden sind, dann hät
te ich Kurella nicht gestattet, während des laufenden Prozesses zu arbeiten [Heini arbeitete für die Komintern als Journalist und verfolgte das Gerichtsverfahren]. Die Frage liegt nun nicht mehr bei uns, sondern beim IKK .«
    Am 6. März erhält das IKK die Mitteilung über Kurellas bedingungslose Unterwerfung: Er habe zu Neumanns Gruppe gehört und Fraktionsarbeit betrieben. Er habe Neumanns hasserfüllte Einstellung gegenüber einer Anzahl führender Genossen wie zum Beispiel Pieck, Ulbricht u.a. geteilt, aber auch gegen Genossen wie Ercoli, Gottwalt und sogar Dimitrow. Er habe auch Neumanns Auffassung geteilt, dass es einer neuen Führung bedürfe. Und dann die Namen, die Namen! Denn Selbstkritik zu üben, ohne Namen mitzuteilen, sei keine Selbstkritik, wie einer der Genossen am 10. Februar penibel eingewandt hatte. Und hier kamen sie also: Bertram, Hilde Duty (relativ unpolitisch), Feistman – ehemaliger Redakteur des Neuen Aufbau in Berlin und Paris, sowie Helmuth Remmele. Und darauf eine noch längere Liste mit Namen, bei denen er sich aber nicht ganz so sicher war.
    Zuletzt wiederholte er noch einmal, dass Neumann der Ansicht war, dass Thälmann ausgewechselt werden sollte und dadurch er, Neumann, wieder in die Führung der KPD berufen würde. Und als Stalin erneut die Deutschen ins Visier genommen hätte, sei er davon ausgegangen, dass Neumann wieder politisch tätig werden dürfe. Außerdem sei er davon ausgegangen, dass Neumann sich nie gegen die sowjetische kommunistische Partei gewandt habe und den Trotzkisten gegenüber unversöhnlich eingestellt gewesen sei. – Aber war das nicht wie eine versteckte Warnung an sie, die Mitglieder der Kontrollkommission, denke ich – so etwas wie ein letzter verzweifelter Versuch? Womöglich begeht ihr einen großen Fehler, Genossen, indem ihr euch über Neumann – und mich? – hermacht? Wo Neumann doch mit Stalin bekannt ist …
    Anschließend, auf Seite 10, bekennt Kurella, sich des Sektierertums schuldig gemacht zu haben, und wird noch am selben Tag aus der KPD ausgeschlossen. Und auch seine Liebste kann ihn nicht trösten – denn sie ist nicht mehr da.  
    Die Bourguika

    »›Bitte, komm gleich zu mir!‹ Mehr sagte sie nicht. Ich lege den Hörer auf, so schnell es irgend geht. Ob sie sich schon eingeschaltet hatten? Unser Telefon wird abgehört. Charlottes Stimme

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