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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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sei.
    Das ist ihre Rettung! Grete erzählt Heinz davon und Charlotte erzählt Heinrich die ganze Geschichte. Das ist ihre Rettung! Charlotte aber hört gar nicht mehr auf zu schluchzen: »›Er will mich loswerden‹, schluchzt sie. ›Er hat nicht etwa gesagt, ich solle bei ihm bleiben. Er war nur glücklich, dass ich wegkäme … er will mich los sein. Ich bleibe hier, ganz gleich, was kommen wird. Ich liebe ihn … Ich kann nicht ohne ihn leben.‹«
    Sie hat den Kopf verloren, denkt Grete und verstößt auch
gegen jegliche Vorsichtsmaßnahmen, indem sie sich neben ihre Freundin setzt und ihr gesteht, dass sie auch Heinz davon erzählt hat und er derselben Meinung gewesen sei: dass das ihre Rettung sei! Grete war der Meinung, dass sie als einzige von ihnen vier gerettet werden könne. Dass sie sie in Moskau von Heinrich trennen und ihn verhaften würden. Aber was Grete auch zu ihr sagte, sie stieß auf taube Ohren. Nichts konnte Charlotte Angst einjagen. Zu guter Letzt überzeugte sie ein Argument – wenn ich Grete glauben darf: »Wenn du draußen bist, kannst du Heinrich retten. Nur dann. Du fährst nach Genf zum Völkerbund, und dort wird man sich für ihn einsetzen.« Da fuhr sie.
    Und da hatte das Weinen ein Ende. Sie hat sich aufgerafft, sich das Gesicht gepudert, Lippenstift aufgelegt und sich an Grete gewandt und sie gefragt, was sie sagen solle? Und Grete hat geantwortet, dass sie sich keine Gedanken machen solle, wenn man so hübsch aussähe wie sie, ergäbe sich das von selbst.
    Und so kam es auch. Sie ging zum deutschen Botschafter, schluchzend, und er kümmerte sich um alles – aber gnädige Frau Gräfin Stenbock! Das lässt sich doch alles regeln! Ihr deutscher Pass wurde erneuert und ein Einreisevisum nach Deutschland ausgestellt. Und sie bekam ihren Geheimauftrag vom NKWD .
    Es kam zu einem Abschiedsabend – noch einmal haben sie sich ins Hotel Sojusnaja gewagt, wie Grete schreibt. »Wir strahlen Hoffnung aus.« Wenn Charlotte nur gewusst hätte, wie Heinz, Heinrich und ihr zumute gewesen sei. Sie haben Wodka getrunken, sie haben gelacht und Witze gemacht. »Als wir dann aufstehen, um zu gehen, war mir vor Schmerz der Hals wie zugeschnürt. Oh, diese Abschiede auf Nimmerwiedersehn!«
    Am nächsten Tag brach sie auf, ließ Heini zurück. Ließ Moskau hinter sich, dieses Moskau, in dem nun ein eiskal
tes Klima herrschte und Angst und Schrecken um sich griff. Entging ihrem sicheren Tod. Es war der 4. Februar – ein Datum, an das sie sich zeitlebens erinnern sollte.
    Letzter Akt
    In der Nacht vom 26. auf den 27. April wurde Heinz Neumann verhaftet. Und ob Stalin die Ausländer im Visier hatte! Gerade deshalb: Im März 1937 hatte er in seinem Schlusswort auf dem ZK -Plenum die entscheidenden Worte geäußert, dass es jetzt darum gehe, die »japanisch-deutschen Agenten des Trotzkismus« auszurotten:

    »Ich glaube, jetzt ist es für alle klar, dass die heutigen Schädlinge und Diversanten, unter welcher Flagge, ob unter trotzkistischer oder bucharinscher, sie sich auch maskieren mögen, schon lange aufgehört haben, eine politische Strömung in der Arbeiterbewegung zu sein, dass sie sich in eine prinzipien- und ideenlose Bande berufsmäßiger Schädlinge, Diversanten, Spione, Mörder verwandelt haben. Es ist klar, dass diese Herrschaften schonungslos zerschmettert und ausgerottet werden müssen, als Feinde der Arbeiterklasse, als Verräter an unserer Heimat.«

    Gerade in der Nacht hatten sie endlich einmal wieder geschlafen. Da kamen sie. Pochten an die Tür. »Neumann, stehen Sie auf! Sie sind verhaftet!«

    »Heinz nahm Mantel und Mütze. Ich hielt mich am Bücherbrett fest, drückte die Fingernägel ins Fleisch, biß auf die Lippen, um nicht zu weinen. Wir umarmten uns. Da kamen die Tränen. ›Du darfst nicht weinen.‹ – ›Beeilen Sie sich! Los!‹ Heinz ging zur Tür, drehte sich noch einmal um, lief zurück, küßte mich: ›Weine nur, ach, es ist ein Grund zu weinen!‹«

    Grete wurde im NEP -Flügel untergebracht – hinter dem Lux, wo alle »Hinterbliebenen« hinkamen. Dort musste sie irgendwie überleben: Ohne Arbeit, ohne Freunde, ohne Geld, mit der Furcht, ebenfalls verhaftet zu werden, während sie versuchte, Heinz Pakete zu schicken, und überall nach ihm suchte … Am 19. Juli 1938 wurde an ihre Tür geklopft – damit begann eine langjährige Gefangenschaft – zuerst in Stalins Lagern, danach im KZ Ravensbrück, als die Gefangenen im Zusammenhang mit dem deutsch-sowjetischen

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