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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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klang so seltsam, noch heiserer als sonst. Irgend etwas Schlimmes muß passiert sein. Ob sie etwa Heinrich verhaftet haben? Wie furchtbar schon der Gedanke. Und was würde dann aus Charlotte werden? Hätte er sie doch nur nicht mit nach Moskau gebracht! Allein durch ihren Namen Charlotte Stenbock-Fermor galt sie für die Kommunisten als die Bourguika schlechthin. Vor einigen Wochen, es ist Januar 1937, hat die Verhaftungswelle auf die deutschen Emigranten übergegriffen. Für uns gibt es keine Hoffnung zu entrinnen. Und Charlotte wird das gleiche Schicksal erleiden.«

    So beginnt Grete ihre Geschichte über meine Mutter, »die Bourguika« – die Bürgerliche. Und sie geht weiter:

    »Heinrich und Charlotte wohnen im Hotel ›Sojusnaja‹, nicht weit vom Hotel ›Lux‹, in dem Heinz Neumann und ich untergebracht sind. Heinz ist nicht zu Hause. Niemand kann mir raten, was ich tun soll. Aber wozu überlegen, es gibt nur eines: zu ihr gehen. Auf Umwegen laufe ich zum ›Sojusnaja‹, wo man im Gegenteil zum Hotel ›Lux‹ keine Papiere vorzeigen muß. Ohne gesehen zu werden, gelange ich zum Zimmer Nr. 16 und betrete den häßlichen Raum,
dessen Fenster zu einem düsteren, verschmutzten Hof führen. Charlotte, die auf dem Bett gelegen hatte, springt auf, läuft auf mich zu und sagt leise: ›Wie gut, daß du gekommen bist. Ich muß mit dir reden, obgleich es mir verboten wurde.‹ – ›Ist was mit Heinrich?‹ frage ich stockend. – ›Wieso mit Heinrich?! Der arbeitet doch in der Komintern wie alle Tage!‹ Ich atme auf: ›Gott sei Dank! Ich hatte schon gedacht …‹; den Rest des Satzes, ›daß sie ihn verhaftet haben‹, verschlucke ich.«

    Charlotte ruft ihre Freundin Grete also im Januar 1937 an, und das Zimmer, in dem sie wohnt, ist hässlich, überhaupt nicht gemütlich, wenn ich Grete glauben darf. Ob sie das Zimmer wechseln mussten? Ein weiterer Schritt auf dem Weg nach Golgatha? Aber sie scheint sich wegen Heini keine Sorgen zu machen. Wenn ich Grete glauben darf. Ja, sie klingt fast irritiert: Wieso denn mit Heini?! Und obwohl sie sich schon ein paar Jahre in Moskau aufhält, scheint sie nichts über konspirative Arbeit gelernt zu haben – sie ruft Neumanns an, mit denen Heini gebrochen hat, wie er behauptet. Was also bringt sie dazu, sie anzurufen? Sie zieht Grete neben sich aufs Bett, zündet sich eine Papyrossi an, der blaue Rauch verteilt sich im Zimmer. Nun, sie sei von einer unbekannten Frau angerufen worden und hätte ein Treffen mit ihr im Café National vereinbart. Sie sei dorthin gegangen und habe eine Parteifunktionärin getroffen: Diese habe Stiefel getragen und sich wie ein Kerl bewegt. Die Funktionärin habe sie nach ihren Sprachkenntnissen gefragt und ob sie einen deutschen Pass besäße. Sie habe ihn ihr gereicht und die Frau habe festgestellt, dass er gerade abgelaufen sei, sich das aber regeln ließe … Dann hätte sie ihr barsch befohlen, dass sie mit niemandem über dieses Treffen sprechen dürfe. Noch nicht mal mit meinem Mann?, hätte sie sie gefragt. Mit niemandem! Haben Sie verstanden! Charlotte habe
sich an den Kopf gefasst: »Was soll das Ganze bedeuten?! Begreifst du jetzt, dass ich es dir sagen musste?«

    Nur ein ahnungsloser Engel wie Charlotte habe da noch Zweifel haben können, worum es hier ging, hält Grete fest, »sie« würden sie natürlich als Spionin einsetzen wollen. – Hat Heini sie gar nicht eingeweiht?, denke ich. War sie wie ein Kind, das man beschützen musste? Hatte er keinen Trost finden können, konnte er ihr seine Angst nicht eingestehen und sich bei ihr ausheulen? Hatte sie von allem Bösen bewahrt werden müssen? Soll ich das glauben?
    Na ja. Der Punkt ist, dass »sie« – das NKWD – sie für irgendeinen Geheimauftrag als Spionin einsetzen wollen. Um ihren Pass verlängert und ein Einreisevisum nach Deutschland zu bekommen, soll sie – so sagen sie – Kontakt zu einem hohen Nazifunktionär aufnehmen, den sie durch ihren Ex-Mann Stenbock-Fermor kenne, das würde sie doch tun? Natürlich kenne sie ihn – sogar ziemlich gut. Sie soll ihm schreiben und »ihnen« erklären, dass sie in Moskau todunglücklich sei und nach Deutschland zurückkehren wolle, und ihn freundlich fragen, ob er beim deutschen Botschafter in Moskau die Verlängerung ihres Passes und ein Einreisevisum nach Deutschland beantragen wolle. Sie tut, was sie ihr befehlen, und erhält bald darauf Bescheid, dass der Botschafter bereits verständigt worden und einverstanden

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