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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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womöglich eine Zigarette aus der Packung, während er sich vorbeugt, um ihr Feuer zu geben, während sie ihm ein dankbares Lächeln schenkt. Sie macht einen tiefen Lungenzug und erläutert dann, dass man ihr zwar den Pass gegeben habe, aber deutlich gemacht habe, dass sie in Deutschland der Gegenstand einer gründlichen Untersuchung sei und es womöglich gefährlich für sie sein könne, nach Hause zurückzukehren. – Ich sehe aus dem Fenster. Will sie damit sagen, dass der deutsche Botschafter in Moskau sie vor einer Rückkehr nach Deutschland gewarnt hat? Glaubt sie denn, die nehmen ihr alles ab? Oder haben sie ihre Worte bloß etwas ungenau wiedergegeben? Wollte sie es so hinstellen, dass sie den Pass mit einer versteckten Drohung bekommen hat? Bitte schön, gnädige Frau , hier ist Ihr Pass, aber Sie sollten wissen, dass …
    Deshalb sei sie auch nicht über Tilsit nach Deutschland gefahren, sondern stattdessen über Riga in Lettland, und von
dort aus dann nach Reval in Estland, wo sie am 8. Februar das Flugzeug nach Helsinki und von dort eines nach Stockholm genommen habe. Von Stockholm aus sei sie dann am selben Abend mit dem Schlafwagen nach Kopenhagen gefahren.
    Dass sie am 9. Februar mit dem Zug in Kopenhagens Hauptbahnhof eingefahren ist, wurde vom Polizeibeamten Knudsen bestätigt. Auf Anfrage berichtete er, dass er bei ihrer Einreise ihre Papiere kontrolliert hat und im Dunkeln des Zugwaggons davon ausgegangen war, dass das Datum 15. Februar in ihrem Pass gestanden habe. Da er gedacht hatte, dass dieser nur noch sechs Tage Gültigkeit aufwies, hatte er die Gräfin gefragt, wie lange sie sich im Land aufzuhalten gedachte, und sie hatte erwidert, »nur auf der Durchreise« zu sein.
    Jetzt weiß ich also ganz sicher, dass sie Grete angelogen hat. Sie ist nicht mit zunehmender Verzweiflung in Libau umhergelaufen, bis sie von der Verwandtschaft Stenbock-Fermor und einem netten deutschen Konsul gerettet wurde, weshalb sie für ihren Geheimauftrag auch zwei Wochen zu spät eintraf – sie war nach Riga gefahren. Vielleicht sollte sie laut Plan A das Schiff nehmen, aber das Meer war so stark zugefroren. Vielleicht geschah es aber auch nach Plan B, dass sie stattdessen über Estland, Finnland und Schweden reiste – und wie verabredet ankam. Oder? Mit einem ungeschickt gefälschten Reisepass? Ohne weder in Estland noch in Finnland oder Schweden aufgeflogen zu sein? Kontrollierte man eine deutsche Gräfin nicht so sorgfältig? Und die Angst, die Einsamkeit, die Erleichterung, von der sie Grete erzählt hat?

    Wohin wollen Sie jetzt?, fragt Polizeibeamter O.C.K. Jensen. Wieviel Geld haben Sie zur Verfügung?
    Sie habe 100 Dollar – Geld, das sie dort verdient habe und das sie für den von ihr versetzten Schmuck bekommen habe.
    Wen haben Sie hier in Dänemark seit Ihrer Einreise getroffen?
    Sie habe nur den tschechischen Staatsangehörigen Placzek getroffen (aha, dabei muss es sich um denselben Mann handeln, der in der sowjetischen Akte als Blatschek bezeichnet wird, Punkt 76), sowie den österreichischen Staatsbürger Dr. Weisskopf – sie hätten beide mit Professor Bohr zusammengearbeitet.
    Sie habe auch an Professor Viggo Christiansen (ein berühmter Neurologe, der – was sie nicht weiß – im Sterben liegt) und Hartwig Moeller (Rektor des Hellerup Gymnasiums) geschrieben, um sie um Rat zu fragen, was sie tun solle, sagt sie. Bei beiden handele es sich um Bekannte ihres ehemaligen Freundes Kurella.
    Haben Sie Antwort erhalten?
    Nein, das habe sie nicht.
    Aber liebe Gräfin Stenbock-Fermor, sagt Jensen, was wollen Sie denn jetzt unternehmen? Sie begreifen doch sicher, dass Sie ohne einen gültigen Ausweis nicht hierbleiben können? Weshalb haben Sie sich ausgerechnet für Dänemark entschieden?
    Ach, das verstehe sie nur zu gut, aber sie wisse wirklich nicht, wohin sie sich wenden solle! Sie wünsche sich nur, in Ruhe und Frieden leben zu können, egal in welchem Land. Sie wage es einfach nicht, zurück nach Deutschland zu gehen, aus Angst, ins Gefängnis zu kommen, auch wolle sie nicht nach Russland zurückkehren. Dass sie sich ausgerechnet für Dänemark entschieden habe, nun – weil sie hoffte, so leichter Besuch von ihrer Mutter bekommen zu können.
    Aber Frau Stenbock-Fermor, weshalb trauen Sie sich denn nicht nach Hause zu Ihren Eltern, nach Deutschland, zurückzukehren? So ganz verstehe ich das immer noch nicht. Wo Sie doch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen?
    Und sie denkt, dass sie es auch

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