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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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Schwiegermutter erwartet (ihr Schwiegervater war 1901 gestorben). Das Übliche: Junge Frau knickst vor grimmiger alter Witwe, welche die leichtfüßige Französin unter die Lupe nimmt, die ihren ältesten Sohn – den Lieblingssohn gar? – verführt hat. »Ich musste mich sehr ins Zeug legen, um akzeptiert zu werden, war ich doch eine Ausländerin ohne einen roten Heller [an Mitgift, könnte ich mir vorstellen], die jetzt noch dazu mit einem Kind dastand.«
    Sofern ich ihren Brief richtig gedeutet habe, gibt sie in Hamburg, ihrer vorübergehenden Zwischenstation, Unterricht in französischer Konversation – genügt das den An
sprüchen der Schwiegermama? –, um Geld zu verdienen. Vier Stunden Konversation für eine Mark – nun weiß ich nicht, wie viel damals eine Mark war, aber es muss doch ein ordentlicher Zuschuss zur Haushaltskasse gewesen sein. Fritz beispielsweise bekam 80 Mark im Monat für seine Arbeit in einem Ladengeschäft, wo er sich in drei Sprachen um die Geschäftskorrespondenz kümmern musste.
    Also müht Emilie sich weiter ab, obwohl sie krank ist – was sie hat, erwähnt sie nicht – ich sag's ja, diese tapferen, unerschütterlichen Frauen –, ich kann mir noch nicht einmal einen Reim darauf machen, was sie hatte, aber da sie operiert worden war, wird es sich wohl kaum um eine leichte Erkältung gehandelt haben.
    Und dann fährt sie mit ihrem kleinen Baby nach Hause zu ihrer Mutter – erneut sitzt sie im Zug und lässt ihren Blick nachdenklich über das ländliche Deutschland schweifen. Nun, drei Jahre später, ist sie zum ersten Mal wieder unterwegs in die Heimat. Für einen kurzen Besuch nur, aber vielleicht verspürt sie schon da das Gefühl, dass es nicht so ganz einfach ist, den feierlichen, pathetischen Worten gerecht zu werden, die sie an ihrem 23. Geburtstag und dem Tag ihrer Hochzeit in ihrem Tagebuch festgehalten hatte – als sie Gott um Hilfe bat, sich ihres Gatten würdig zu erweisen …

    Im Juli 1907 ist sie wieder in Hamburg. Und jetzt wird das Leben leichter – Tante Emilie Mahr (eine Verwandte?) hat sie zu sich nach Wandsbek, nahe Hamburg, eingeladen. Und danach trifft sie sich mit Mann und Schwiegermutter (ist sie jetzt nicht mehr so griesgrämig? Vielleicht hat Emilie, hat Klein Charlotte ihr Herz erweicht?) auf Norderney, einer der Ostfriesischen Inseln, wieder. Dort hat Fritz – zur Überbrückung der Wartezeit, bis sie zu dritt über den Kanal nach Oxford fahren können, weil er dort Arbeit in Parker's Buchhandlung bekommen hat – eine vorübergehende Anstellung gefunden.
    Oxford
    Warum ausgerechnet Oxford, weiß ich nicht. Vielleicht hatte Emilies mit einem Engländer verheiratete Schwester ja die Anstellung für ihn besorgt? Im September 1907 trafen sie jedenfalls dort ein, sie war gerade erneut schwanger. Und was Emilies These betrifft, dass das Kind so wird, wie man selbst sich während der Schwangerschaft gefühlt hat, kann man feststellen, dass der nach Fritz' Lieblingsbruder getaufte kleine Otto seiner Oma väterlicherseits sehr ähnelte: Dasselbe blonde Haar, dieselben blauen Augen. Auf den wenigen Aufnahmen, die noch existieren, sieht man aber auch, dass er ein fast verkniffenes Gesicht besessen hat. Sein Mund besteht nur aus einem zusammengepressten Strich. Ob Emilie sich später im Leben beim Betrachten ihres Lieblingssohns wohl gefragt hat, ob das an ihr lag? Ob ihr missmutiges Schwiegertochter-Ich in seinem Gesicht, seinem Gemüt Spuren hinterlassen hatte?
    Emilies Schwiegermutter stirbt im Januar 1908. »Sie hat ihren letzten Atemzug getan«, notiert Emilie, nachdem Fritz dorthin geeilt ist. Seine Mutter hatte auf ihren ältesten Sohn gewartet. Die anderen Söhne, erwähnt Emilie ein wenig beiläufig, seien zu der Zeit in San Francisco gewesen, wo sie nach dem schweren Erdbeben von 1906 ihr Glück hatten suchen wollen, doch – wie sie etwas säuerlich zu Papier bringt – »der einzige Erfolg, der ihnen beschieden war, beruhte darin, das kleine Erbe, das es ihnen erst ermöglicht hatte, dorthin zu fahren, durchzubringen.« Was für eine rastlose und abenteuerlustige Familie, muss ich dagegen denken. Womit wollten die jungen Männer denn überhaupt Geld verdienen? Mit dem Wiederaufbau? Der Goldsuche?

    Lottie mit vier Jahren, Oxford.

    Die große Schwester und der kleine Bruder 1910.

    Doch ich will mit Emilies Schilderung fortfahren: Denn der Tod ihrer Schwiegermutter hatte einen neuen Geldsegen zur Folge – ein Erbe –, sodass sie sich in

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