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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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lieb!«

    Stenbocks Buch Deutschland von unten erscheint in jenem deutschen Herbst 1931 – ein großer Erfolg. Sogar die Rezensenten der nationalsozialistischen Zeitungen rezensieren es positiv. Eine neue Erfolgswelle, neue Lesungen, neue Reisen warten. Wieder lässt er sie allein in Berlin zurück. Und was ist mit der Liebe? Thiess' ironischer Novelle zufolge war bei diesem leichtlebigen Paar davon kaum noch etwas zu spüren – oder? Wie geht es ihr, Lottie, in ihrem Berlin mit ihren Freunden, ihren Anstellungen, ihrem roten Grafen und ihrer Mitgliedschaft in der Roten Hilfe, während sie ihre Mutter in einer zunehmend an Idyll einbüßenden Bukowina wähnt?
    Von Lotties Briefen an ihre Eltern sind aus diesem Herbst kaum noch welche erhalten. Ich erfahre nur andeutungsweise etwas durch Emilie, die ihr einmal pro Woche schrieb. Im September war offenbar von Kindern die Rede. War sie vielleicht wieder schwanger? Hat sie ihre Mutter ins Vertrauen gezogen: Bekommen oder nicht bekommen?
    »Es ist nicht ganz einfach, Deine Frage zu beantworten«, schreibt Emilie nämlich am 13. September 1931, »die Geburt eines Kindes ist ein so intensives Glück, eine so tiefgehende
Freude, dass ich nie auf den Gedanken kommen würde, dem zu widerstehen. Euch alle habe ich mir aus tiefster Kraft mit meinem ganzen Wesen gewünscht, und diese Hoffnung auf ein so großes Glück hat mir vom ersten Augenblick an ein Gefühl des Triumphes beschert.«
    »Ein Kind«, hielt sie fein säuberlich und feierlich fest, als wolle sie für ihre älteste Tochter in Berlin ein Echo vergangener Tage heraufbeschwören, für ihre Tochter, die in Bezug auf Liebe und Weiblichkeit danach strebt, dem zynischen Ideal der Weimarer Zeit nachzueifern ( glaube ich ). »Ein Kind ist ein ungetrübtes Glück, weil es unser Frauenleben krönt, und mir erscheint es wie eine Pflicht mir selbst gegenüber, sich dieser Möglichkeit nicht zu berauben, wenn sie einem doch geschenkt wird.«
    »Es wäre wundervoll, Dich bei uns zu wissen«, fährt sie fort, »auch wenn in Deutschland besser für Dich gesorgt wäre. Enfin, ma chérie , mach es so, wie Du denkst. Ein kleines Enkelkind würde mir jedoch eine große Freude bereiten, ein Glücksquell sein und mir einen wunderbaren Grund zum Weiterleben schenken …«
    Es sollte kein Kind geben. Dieses Thema kommt nicht wieder vor, noch nicht einmal in Emilies späteren Briefen. Vielleicht wurde es eine Fehlgeburt, vielleicht hat sie noch eine Abtreibung gemacht. Oder war das nur ein plötzlicher Einfall, ein Gedanke, der beim händeringenden Warten auf das Einsetzen der Menstruation aufgetaucht ist: Ein Kind ( von wem? ) – Flucht, nach Haus, Mama! Oder ganz einfach ein Versuch, ihre Mutter zu trösten: Ich schenke dir ein neues Kind.
    Ich halte inne, mich packt ein fast verbotenes Neidgefühl. Es ist der Ton in diesen Briefen, dieses » ma chérie «, » je t'embrasse bien fort «, » ta Maman « … Wie auf dem Foto aus Radautz gegen Ende des großen Krieges: Mutter und Tochter Seite an Seite, nichts weiter. Das ist alles.
    Rumänien im Herbst
    Und so ging der Herbst 1931 dahin. In Radautz bemüht Emilie sich, wieder ein Stück Lebensfreude zurückzuerobern – Du schreibst, dass Du manchmal an Deinen Bruder denkst – Ach! Mein Liebling, ich muss unaufhörlich an ihn denken, immerzu an ihn denken – kann nicht begreifen, dass er nicht mehr da ist – er war doch immer Mamas Goldjunge. Wie oft hat er nicht nach meiner Hand gegriffen und gemurmelt: Eine Mama wie dich findet man kein zweites Mal, sag, dass du meine Mama bist!
    Der August, kalt und regnerisch, kam und ging. Die Lebensmittel seien nach wie vor billig – auf einer Hochzeit wurden Rinderfilet, Kohlrouladen, gebratene Ente, Kartoffelsalat, Torten, Bier und Wein serviert – »und«, wirft Fritz ein, »es ist jammerschade, dass Du jetzt nicht hier sein kannst; hier ist es so schön; in meinem Zimmer ranken sich die reifen Trauben ums Fenster.«
    Über ihren Köpfen aber ballen sich die Wolken zusammen. Fast alle Briefe, die Lottie damals nach Hause schrieb, zeugen von den Sorgen, die sie sich macht: Aber das ist ja ganz furchtbar bei Euch! Wie läuft es bei Euch?! Ach, wenn ich Euch doch nur irgendwie helfen könnte!
    Denn diesem Buchhändler aus Radautz, der aus der Kleinstadtbuchhandlung eine deutsche Buchzentrale gemacht hatte und stets informiert darüber war, was in seinem Vaterland veröffentlicht wurde, diesem Buchhändler, der expandiert und eine

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