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Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Titel: Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Steimle
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der Küche herüberzog, beziehungsweise herüberziehen wollte, woran ich ihn noch rechtzeitig hindern konnte.
    Aber der Reihe nach:
    Mit fünf Jahren hatte man Mittagsschlaf zu halten. Das galt auch für mich. Mindestens eine halbe Stunde. »Danach kannst du aufstehen«, belehrte mich Mutti. »Aber keine Dummheiten machen, Lommel, hörst du, und kein Feuer, nirgends!«
    »Aber nein, könnt euch drauf verlassen.«
    Und so lag ich hinter dem Schlafstubenschrank, der das mir zugedachte Reich von dem Reich meiner Eltern abtrennte. Ein eigenes Kinderzimmer hatte ich nicht, das hatten die wenigsten Kinder, schon gar nicht die 5-Jährigen.
    Auf den sechs Quadratmetern, die ich mein Eigen nennen durfte, musste ich nun 30 Minuten ausharren.
    Doch schon nach 20 Minuten zog es mich in die Vertikale. Ich konnte nicht mehr »ausruhen«, geschweige denn schlafen.
    Leise schlich ich mich hinter meiner schützenden Mauer, dem großen Schlafstubenschrank, hervor, und tatsächlich: beide Elternteile schliefen noch fest. So konnte ich auf den
Bettvorleger springen, denn nur der konnte verdächtige Geräusche, wie Dielenknarren, mustergültig abfedern. Ich hielt die Luft an.
    Vati drehte sich in meine Richtung, und wie ein Räuberdieb starrte ich gebannt auf den Vater und auf die rostig-kalte Türklinke, die mein Nahziel war, aber immer noch 25 cm weit von mir entfernt, und in diesem Moment schien sie mir unerreichbar.
    Hätte ich nicht noch zehn Minuten in meinem Kinderklappbett dunseln können, um dann ganz legitim und offiziell aus der Kammer zu marschieren? Zehn Minuten mehr … einfach liegen bleiben …
    Wer zu früh aufsteht, den bestraft das Leben. Der muss gleich wieder ins Bett. Muss noch mal 20 Minuten länger schlafen. Ja, schlafen müssen, das ist für einen 5-Jährigen eine Strafe! Ich war doch aufgeweckt, ich wollte was erleben.
    Wenn ich mir heute im Nachhinein überlege, wie es der Familie womöglich hätte ergehen können, wenn ich brav liegen geblieben und nicht aufgestanden wäre vor meiner Zeit, um in der Küche zu spielen! . . .
    Ich glaube, nur mein Ungehorsam rettete die Familie vor dem sicheren Feuertod.
    Sie wollen wissen, was passiert war?
    Langsam, ich bin ja noch nicht einmal in der Küche, von wo es schon merkwürdig, irgendwie angebrannt, roch. Schließlich schaffte ich es dorthin, und was sah ich?
    Auf dem Herd stand unser großer grüner Emailletopf, aus dem es wabberte. Weißbräunlicher Rauch in dichten Schwaden drückte sich unter dem Deckel ins Freie. Instinktiv durchfuhr es mich: »Waschhausküche!« … Nur, hier fehlte das Wasser!
    Mutti hatte die kleine Wäsche zum Kochen auf den Herd gesetzt. Eine Waschmaschine hatten wir nicht; die große Wäsche
wurde im Waschhauskessel gekocht, und die kleine sollte nun wie immer im Emailletopf auf dem Herd kochen.
    Nun hatte meine Mutti aber vergessen, vor der Mittagsruhe die Schlüpfer, die im Topf waren, noch einmal ordentlich mit Wasser zu begießen, sodass aus diesem Grunde alle Leibwäsche buchstäblich …
    Um es kurz zu machen: Bei uns zu Hause waren die Schlüpfer angebrannt! Den Anblick werde ich nicht vergessen: Ein Haufen ineinander verbackener Baumwollunterhosen präsentierte sich beim Lüften des Deckels, und durch beißenden Qualm hindurch ließ sich nur noch erahnen, welche Unterhosen vormals zu welchem Familienmitglied gehört haben könnten. Ich muss allerdings dazusagen, dass ich in diesem Moment auch nicht versuchte, das herauszufinden.
    Ich war ein Topfspion wider Willen, und was ich erspähte, war: Ein Scheiterhaufen.
    Die Schlüpfer der Familie Steimle waren gescheitert, im Kochtopf – mangels Wasser – gescheitert.
    Sofort leitete ich die Rettungsaktion ein:
    »Muddi, die Schlübber sin angebrannt!«, schrie ich. Und ich goss einen Topf Wasser auf den gescheiterten Schlüpferhaufen, genauso wie ich es oft bei Mutti gesehen hatte.
    Die Küche war nun vollends eingenebelt, und schon hörte ich einen Schrei aus dem Schlafzimmer:
    »Uwe, was hast du nur wieder angestellt? Habe ich dir nicht verboten zu kokeln?! Wo steckst du denn?«
    »Na, in der Küche.«
    »Was, in der Küche? Das is doch wie im Waschhaus hier. Änne Demse wie am Äquator! Was hast du nur wieder gemacht?«
    »Wieso denn ich, dir sin doch die Schlübber angebrannt.«
    Mit letzter Kraft stieß ich den tschechengrünen Schlüpfertopf vom Feuerloch. Gerettet! Und Mutti? Die beruhigte sich
allmählich, und dann lachte und lachte sie, und nachdem sie in der

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