Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)
das Zauberwort: Das Harren, Ausharren mit dem Glauben an langfristige Vorgänge, letztlich nicht erklärbar.
Bleibt mir nur noch nachzutragen, dass diese Geschichte sich im Jahre 1984 abspielte.
Was mir erst im Nachhinein klar wurde: Indem ich den Greiling in Geld umsetzte und dieses wiederum in MFTW, trug ich zum kulturellen Ausverkauf der DDR bei, denn diese Sammelobjekte verließen ja meine Heimat in Richtung BRD. Aber ich wusste schon damals: Eines Tages hol’ ich mir’s zurück, meinen göttlichen Greiling und meine Geschichte.
Meine liebste Weihnachtsgeschichte
Im Jahre 1970 wurde Heiligabend noch bis Mittag gearbeitet. Auch meine Eltern mussten das, sodass ich allein zu Hause war. Wir feuerten damals Öfen an, mit Holz und Kohle, und in der Früh’ war es doch empfindlich kalt zu Hause. Deshalb hatte meine Mutti nicht vergessen, wenigstens die Küche anzuheizen, also den Küchenofen. Sie verließ um 5 Uhr unsere Wohnung in Dresden und arbeitete in der Kartonage des Volkseigenen Betriebes Polypack, das heißt, sie falzte Pappkartonverpackung für Telläpfel aus Schokolade, die ausschließlich für den Export bestimmt waren.
Weihnachten war auch bei uns zu Hause das Fest der Freude und des Lichtes, auch wenn dabei nicht an den Stern zu Bethlehem und die Geburt des Jesuskindes gedacht wurde.
Würden sich meine Eltern nicht freuen, wenn mittags schon der Stubenofen warm war? Tja, damals gab es noch keine Fernwärme, schon gar nicht im ersten Hinterhaus; deshalb musste jeder Ofen einzeln angefeuert werden … Es sei denn, man transportierte die Glut von der Küche über den Flur, in die Stube. Gesagt, getan!
Natürlich wusste ich um das strengste Feuerverbot, und offenes Licht in Glutform ging schon gar nicht. »Doch, das ging«, dachte ich. Schließlich war ich ja schon groß. Was heißt groß? Ich war sieben. Also los: Ich öffnete die Ofentür vom Glutos-Beistellherd, belud mein Schäufelchen mit frischer Kohlenglut und hatte schon den Flur erreicht – da passierte es: Ich stolperte über die Schwelle … Noch heute stockt mir der Atem, wenn ich an das Malheur denke, zumal ich ja belehrt worden war.
Glut auf dem Kokosläufer, nicht viel, aber Glut. Doch wie durch ein Wunder – genau im Muster des Teppichs, sodass
nichts weiter auffiel … auf den ersten Blick. Was konnte ich jetzt noch tun? Geschult durch »Werken«, fiel mir der Staubsauger ein, um alle Brandspuren zu beseitigen.
Ich weiß, was Sie jetzt denken, aber, und das ist für mich bis heute Wunder Nummer zwei: Es ist nichts dergleichen passiert. Kein Feuerstrahl verließ den Omega-Staubsauger hinten heraus, kein Kurzschluss brachte mich um mein kurzes Leben. Nur der Staubsaugersack war angebrannt oder sagen wir mal, durchlöchert.
Der Ofen konnte dann meinerseits fertig bestückt werden; die Restglut machte bald ein ordentliches Feuer, und als ich mittags stolz meinen ersten selbst gefeuerten Ofen präsentierte und das Weihnachtsabenteuer ausführlich erzählen musste, da lachten meine Eltern und weinten gleichzeitig.
Dann endlich kam der Weihnachtsmann. Ich sollte ein Lied vorsingen. »Ja, ja, das kann ich«, sagte ich. Als er mich aber fragte, ob ich denn auch immer schön brav war, da platzte ich statt einer Antwort mit dem Weihnachtslied heraus, und ich schmetterte vor lauter Aufregung aus voller Kehle ein Lied, das ich bis heute nicht vergessen habe, und mein »Weihnachtslied« ging so:
»Was müssen das für Bäume sein, wo die großen Elefanten spazieren gehn, ohne sich zu stoßen.
Links stehn Bäume, rechts stehn Bäume,
in der Mitte Zwischenräume …«
Ja, ja, wie sagt der olle Lessing? »Eigene Erfahrung ist Weisheit.«
Und nun wissen Sie auch, warum für mich Weihnachten immer das Fest der Freude und des Lichtes ist.
Meine liebste Weihnachtsgeschichte? … Ich blieb am Leben.
PS: Ach so, was mir der Weihnachtsmann brachte? … Eine Holzfeuerwehr.
Uwe rettet die Familie
Und es ward wieder ein Sonnabend, und es war wieder Zeit. »Zeit nur für mich«, dachte ich.
Die Eltern hatten sich wie immer am Sonnabend nach dem Mittagessen zum Ausruhen hingelegt. Ein Verdauungsschläfchen war auch in der »Systemzeit« unverdächtig – heute würde ich sogar sagen: systemrelevant. Ja, denn die Zauberformel im Sozialismus hieß: »Privat geht vor Katastrophe.«
Und dazu wäre es beinahe gekommen an diesem Samstag im Jahre 1968, hätte meine Wachsamkeit uns Steimles nicht vor einem Schwelbrand gerettet, der aus
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